Vom Gute-Kita-Gesetz über das Starke-Familien-Gesetz und die Respekt-Rente bis zum Bürgergeld: Die SPD packt ihre Gesetze nun in wohlklingende Worthülsen. Dieses sogenannte Framing hatte sie viele Jahre lang vernachlässigt, wie die Parteioberen im vorigen Jahr schmerzlich feststellen mussten.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - „Aus Fehlern lernen“ lautete der Titel einer schonungslosen Analyse der vergeigten Bundestagswahl, die Generalsekretär Lars Klingbeil im vorigen Sommer ohne Scheu an die Öffentlichkeit brachte. Kapitel sieben ist mit dem Zitat eines legendären CDU-Generalsekretärs überschrieben: „Wer die Begriffe besetzt, besetzt die Köpfe“, hat Heiner Geißler früh erkannt. Auf vier Seiten wird seziert, dass den Konservativen und auch dem Wirtschaftslager die Bedeutung von Sprache viel stärker bewusst seien.

 

Union und AfD haben den Wert der Sprache erkannt

Systematisch hätten sie Begriffe geprägt. Beispielsweise vermittle die Unionsformel von der „Lebensleistungsrente“ ein Gefühl von Würde und Anerkennung – dagegen habe der abstrakte und emotionsfreie sozialdemokratische Begriff „Solidarrente“ nie mithalten können. Fazit: Die SPD habe das Framing, also das Besetzen von Begriffen, „jahrzehntelang sträflich vernachlässigt“, hieß es. Auch dem „rechtsnationalen Vokabular“ der AfD habe sie daher jetzt nichts entgegenzusetzen. „Die SPD wird schnell damit beginnen müssen, viel intensiver als bisher nach Frames zu suchen, die ihren eigenen Handlungsvorschlägen und Werten entsprechen“, heißt es in der Analyse.

Als Ausdruck rascher Lernfähigkeit kann die Partei nun binnen eines halben Jahres gleich auf eine ganze Serie neuer Wortschöpfungen verweisen: Familienministerin Franziska Giffey ist mit dem Gute-Kita-Gesetz und dem Starke-Familien-Gesetz vorgeprescht. Arbeitsminister Hubertus Heil zog mit der Respekt-Rente nach, und Parteichefin Andrea Nahles versucht nun ganz aktuell, ihr Bürgergeld unter die Leute zu bringen. Die Zeiten, in denen ältere Herren namens Hartz, Riester oder Rürup Regelwerken der Genossen ihren Namen liehen, womit diese leicht zu Schreckensbildern in der Bevölkerung gerieten, sind endgültig passé.

Eine Gefahr für die Demokratie?

Ausgerechnet die um politisches Marketing hochgradig bemühte FDP sieht in dem Bestreben, die Bewertung eines Gesetzes im Vermarktungsnamen mitzuliefern, eine Manipulationsstrategie – eine Gefahr für die Demokratie gar. Aber wer will über ein „Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe“ reden, wie das Werk konkret heißt? Ziel sei es, politisches Handeln besser zu erklären und das Vertrauen in den Staat wiederherzustellen, argumentiert Heil. Ressortkollegin Giffey habe allen in der Bundesregierung beigebracht: „Im Grundgesetz steht nicht, dass wir jedem Gesetz einen bescheuerten Namen geben müssen“.