Wir stellen Stuttgart Kandidaten zur Bundestagswahl vor. Heute: Was Matthias Werwigk, der für die FDP im Wahlkreis II antritt, gegen Walter Döring hat.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Fröhlichkeit ist ein zu Unrecht vernachlässigtes Merkmal der FDP. Im Garten einer hübschen Fachwerkvilla an der Stuttgarter Gaußstraße geht es an einem Abend im August reichlich munter zu. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zum zweiten Mal Bundesjustizministerin und fleischgewordener Politiker-Doppelname, spricht zum Thema „Wer schützt wirkungsvoll unsere Bürgerrechte und Daten in Deutschland und in Europa?“ Die Herren tragen zum Anzug passende Socken von Tommy Hilfiger, die Damen Handtaschen von Miu Miu. Am Lautsprecher hinter der Rednerin hängen zwei gelbe Luftballone. Während Leutheusser-Schnarrenberger im mintgrünen Sakko über Datenschutz spricht, wischt Florian Toncar, stellvertretender FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzender, konzentriert über den Display seines iPhones.

 

Die lokale FDP-Prominenz ist da: Michael Theurer, einst Deutschlands jüngster Oberbürgermeister, Stuttgarts Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer und Armin Serwani, Kreisvorsitzender der Stuttgarter FDP, der in einer Tour über die Schnarrenberger’schen Späße kichert: „Das ist eine richtige Powerfrau.“

Der Gastgeber hält sich im Hintergrund

Der Mann, um den es an diesem Abend eigentlich geht, steht etwas abseits neben der Bundesjustizministerin. Matthias Werwigk kandidiert für die FDP im Wahlkreis Stuttgart II. Auf der Landesliste seiner Partei ist er auf Position 33 zu finden. Er hat zu der Veranstaltung in sein bescheidenes Heim eingeladen, gemeinsam mit seiner Frau Corinna Werwigk-Hertneck, Ex-Justizministerin von Baden-Württemberg.

Während Leutheuser-Schnarrenberger philosophiert, wirkt Werwigk mal komplett abwesend, dabei eine Schnute ziehend die Besucher in seinem Garten musternd, dann wieder hochkonzentriert, zu einigen Passagen nickend. Im Vergleich zu seiner Frau kommt der 62-Jährige eher zurückhaltend rüber. Im direkten Gespräch wirkt der Direktor der Landesbank Baden-Württemberg angenehm unaufgeregt, streut manchmal ein „nich“ ans Ende seiner Sätze ein und lässt mitunter ein schelmisches Lächeln aufblitzen. Dass Werwigk aber nicht nur Florett, sondern auch Kanone kann, bewies er beim Parteitag der FDP in Villingen-Schwenningen im vergangenen Dezember. Nachdem der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring angekündigt hatte, der FDP-Vorsitzenden Birgit Homburger die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl abspenstig machen zu wollen, zerlegte Werwigk den früheren Parteichef bei einer Rede in einer Art, die selbst langjährige Politikbeobachter noch nicht erlebt hatten. Werwigks Vorwürfe waren so heftig, dass die Staatsanwaltschaft anschließend einen „Beobachtungsvorgang“ gegen Döring einleitete.

Eine alte Rechnung mit Walter Döring

Wieso hat Werwigk so scharf gegen Walter Döring geschossen? „Mit den Themen, mit denen Döring in der Presse steht, bin ich mir nicht sicher, ob das für die Partei gut ist. Selbst zu seinen besten Zeiten hat er keine zweistelligen Wahlergebnisse erzielt, wie auf dem Parteitag in Aussicht gestellt“, sagt Werwigk. Löst man einen solchen Fall aber nicht im Hinterzimmer der Politik? „Es ist riskant, wenn sich eine Partei zu sehr von einzelnen Köpfen abhängig macht. Auf eine gute Mannschaft mit starken Teamspielern zu setzen ist besser als auf einen einzelnen Zampano“, so Werwigk.

Bei der Aufarbeitung des Parteitags verschweigt Matthias Werwigk ein Detail: Seine Frau musste 2004 als Justizministerin zurücktreten, weil sie den damaligen Minister Döring über den Stand staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen ihn informiert hatte. Wollte Werwigk mit dem Brachialauftritt seine Frau rehabilitieren?

Werwigk kritisiert das Auftreten der Bahn

Statt über Döring spricht Werwigk lieber über Stuttgart 21, das er von Anfang an unterstützt hat. Zufrieden mit der Deutschen Bahn ist er aktuell dennoch nicht. „Die Stuttgarter Straßenbahnen haben ein großes Geschick mit den Menschen und den Verantwortlichen zu kommunizieren. Das ist ein Riesenunterschied zur Bahn. Die kommt wie die kaiserliche Armee daher: Wir planen, und wenn ihr was wollt, habt ihr erst einmal nichts zu sagen.“

Das illustre Publikum hat sich in der Werwigk’schen Heimat derweil noch einiges zu sagen. Das sei liberale Politik zum Anfassen in einem offenen Bürgerhaus, freut sich Matthias Werwigk. Ob die anwesenden Bänker und Anwälte wirklich so repräsentativ für Stuttgarts Bürgerschaft sind? Diesen Einwand verschweigen wir lieber. Matthias Werwigk hat schon ganz andere zu Kanonenfutter verarbeitet.