Die CDU plant Regionalkonferenzen, bei denen sich die Kandidaten für die Merkel-Nachfolge an der Parteispitze vorstellen. Bundesvize Strobl sieht den aktuellen Prozess als „riesige Chance“. Seine Partei mache den Eindruck, „als sei sie praktisch wachgeküsst worden“.

Berlin - Nach Angela Merkels angekündigtem Rückzug von der Parteispitze ist die Auseinandersetzung über die künftige Ausrichtung der CDU in vollem Gange. Vor Beginn einer zweitägigen Vorstandsklausur am Sonntag, die den Nachfolgeprozess rund um die aussichtsreichsten Bewerber Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn regeln und Konsequenzen aus der Wahlschlappe in Hessen ziehen soll, äußerten sich hochrangige CDU-Vertreter völlig unterschiedlich.

 

Spahn ist ein Freund von Österreichs Kanzler Kurz

So forderte etwa Gesundheitsminister Spahn, dass man sich viel klarer vom Koalitionspartner SPD unterscheiden müsse. „Wer zur Wahl geht, will wieder eine echte Auswahl haben“, sagte er der „Welt“. Dazu müsse die CDU zwischen bestimmten Positionen wählen: „Warum darf es auf einem Parteitag nur einen Leitantrag geben, der bis zur Unlesbarkeit verschwurbelt ist?“ Er will das Flüchtlingsthema offensiv ansprechen – und äußerte sich skeptisch zum Migrationspakt der Vereinten Nationen, aus dem Österreich unter dem mit Spahn befreundeten Kanzler Sebastian Kurz ausgestiegen ist: „Wichtig ist, dass Deutschland seine Souveränität behält, Migration zu steuern und zu begrenzen.“ Die Bundesregierung sieht dies nicht infrage gestellt.

Bundesvize Laschet warnt vor einem Rechtsruck

Unter anderem hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Spahn wie Merz zu ihren Kandidaturen ermuntert – verbunden mit der Hoffnung, deren Rhetorik und Programmatik könne AfD-Wähler zurückgewinnen. Nachdem zuvor Bundesvize Armin Laschet vor einem Rechtsruck gewarnt hatte und viele Unionsfrauen eine Rückkehr zur „Basta“-Politik abgelehnt hatten, machte sich am Sonntag auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther für den Mittekurs stark: „Daran haben sich auch alle Kandidaten für den Bundesvorsitz aus meiner Sicht zu orientieren.“

Unionsfraktionsvize Andreas Jung äußerte sich gegenüber unserer Zeitung ähnlich: „Wir wollen über einen tief greifenden Erneuerungsprozess Wähler zurückgewinnen – aber nicht nur von der AfD, sondern auch von den Grünen, an die wir in gleicher Zahl Stimmen verloren haben“, so der Vorsitzende der Südwest-Landesgruppe im Bundestag: „Das geht nur in der Mitte, wo wir durch unsere Werte verortet sind.“

Strobl sieht den Prozess als „riesige Chance“

Aus Parteikreisen war nach Beginn der Klausurtagung zu erfahren, dass insgesamt zwölf Kandidaten Merkel an der CDU-Spitze beerben wollen – wobei jenseits der drei bekannten Namen kaum jemandem Chancen eingeräumt werden. Beschlossen werden sollte, dass sich die Kandidaten vor dem Bundesparteitag Anfang Dezember in Regionalkonferenzen der Basis vorstellen.

Als Richtungsstreit wollte CDU-Bundesvize Thomas Strobl die Debatte bis dahin nicht gewertet wissen: „Dieser Prozess, den unsere Partei schon lange nicht mehr erlebt hat, ist eine riesige Chance für die CDU.“ Seine Partei mache den Eindruck, „als sei sie praktisch wachgeküsst worden“.