Vor vier Jahren bei der Landtagswahl jubelten die Göppinger Grünen noch zusammen mit ihrem Kandidaten Jörg Fritz über das Landtagsmandat. Doch diese Zeiten sind vorbei. Bei der Nominierungsversammlung am Mittwoch wurde Fritz fast demontiert. Es kam zu einem Patt mit der Stadträtin Ulrike Haas. Jetzt herrscht Ratlosigkeit.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Ebersbach - Die Grünen brauchen für die Bestimmung ihres Landtagskandidaten für den Wahlkreis Göppingen einen zweiten Anlauf. Die Wahlkreismitgliederversammlung am Mittwochabend im überfüllten Nebenzimmer des Ebersbacher Hechts endete ohne ein befriedigendes Ergebnis. Sowohl im zweiten als auch im dritten Wahlgang kam es zu einem Patt zwischen dem amtierenden Landtagsabgeordneten Jörg-Matthias Fritz und der Eislinger Stadträtin Ulrike Haas. Beide Kandidaten erhielten jeweils 42 Stimmen.

 

Auf einen weiteren Wahlgang wurde daraufhin verzichtet. Stattdessen stimmte die Mehrheit der 85 Anwesenden nach fast vier Stunden für eine Vertagung. Auch der ebenfalls mögliche und von Fritz offenbar favorisierte Losentscheid wurde abgelehnt. Die Nominierung per Los wäre eine Hypothek im Wahlkampf, warnte Haas.

Neuansetzung innerhalb eines Monats

Er strebe an, die Wahlkreisversammlung innerhalb eines Monats erneut einzuberufen, erklärte der an dem Abend verhinderte Kreisvorsitzende Berthold Frieß am Donnerstag. Ob die Veranstaltung dann mit einer weiteren Stichwahl fortgesetzt werde oder alles noch einmal von vorne los gehe, sei noch offen, sagte Frieß. Das hänge von den rechtlichen Möglichkeiten ab. Er persönlich tendiere dazu, noch einmal einen neuen Anlauf mit allen Kandidaten zu nehmen.

Dann könnte auch der 24-jährige Göppinger Stadtrat Alex Maier wieder auf dem Wahlzettel stehen. Er hat nach dem ersten Wahlgang knapp hinter Haas auf Platz drei gelegen und daraufhin seine Bewerbung zurückgezogen. Seine 21 Stimmen gingen anschließend fast vollständig auf Haas über, die zunächst 22 Stimmen auf sich hatte vereinigen können. Fritz, der vor allem innerhalb der Kreistagsfraktion unbeliebt ist, hatte im ersten Wahlgang mit 40 Stimmen in Front gelegen. Der 69-jährige Naturkosthändler Ulrich Stoll landete mit zwei Stimmen abgeschlagen auf Platz vier.

Fritz bringt ein Paket mit 20 Namen

Überschattet wurde der Abend von einer Diskussion über zahlreiche Neueintritte. Kurz vor dem Nominierungsparteitag hatte der Kreisvorstand der Aufnahme von 35 Personen zugestimmt. Das entspricht einem Drittel des gesamten Mitgliederbestands im Wahlkreis. Allein Jörg Fritz hatte zwei Tage vor der entscheidenden Vorstandssitzung ein Paket mit 20 Anträgen abgegeben, darunter viele aus der assyrischen Gemeinde. Am Tag darauf folgte Ulrike Haas mit einem Päckchen mit elf Namen. Zuvor seien bereits vier Mitgliedsanträge aus dem Umfeld von Maier eingegangen, erklärte Frieß, der die kurzfristige Aufnahme sämtlicher Bewerber offenbar mit einer Rücktrittsdrohung im Vorstand durchsetzte. Man könne das jahrelang praktizierte und zudem zuvor kommunizierte Verfahren nicht im laufenden Prozess ändern, hatte Frieß im Vorfeld der Versammlung in einem Brief an die Mitglieder erklärt.

Trotzdem hielten nicht wenige die Vorgänge für wettbewerbsverzerrend. Das Göppinger Grünen-Mitglied Reinhard Büchner appellierte an die Betroffenen, ihr Stimmrecht ruhen zu lassen. Dafür gab es Applaus. Doch Folge leistete dem niemand. Lediglich Stoll, so darf nach den Ergebnissen der geheimen Wahlen vermutet werden, verzichtete bei der Stichwahl auf eine Stimmabgabe. Er hätte das Zünglein an der Waage sein können.

Der Gegner lautet Weißenfels

Bei der vorangegangenen Vorstellungsrunde war deutlich geworden, dass Fritz zwar am fundiertesten argumentierte, jedoch auch Haas und Maier einem Landtagswahlkampf gewachsen wären. Die Chance sei da, den vor vier Jahren sensationell und äußerst knapp errungenen Sitz im Landtag zu verteidigen, sagte Haas. Sie und Maier meinen, dass sich viele Wähler vom Göppinger CDU-Kandidaten Simon Weißenfels abgestoßen fühlen. „Er hat die rechtslastige, ja ich würde sagen rechtsextreme Eislinger Erklärung unterschrieben“, erinnerte Haas an ein umstrittenes und schließlich zurückgezogenes Papier der Jungen Union im Kreis. Fritz sagte, ihr Ziel müsse es sein, auch viele konservativere Wähler davon zu überzeugen, dass Grün gut für das Land sei. Alle drei waren sich einig, dass die CDU unter dem Spitzenkandidaten Guido Wolf kein Partner sei. Sie strebe einen Rückfall in vergangene Zeiten an.

Einen Aufnahmestopp gibt es übrigens bei den Grünen trotz der jüngsten Erfahrungen nicht. Dennoch werden bei der nächsten Versammlung keine weiteren Neumitglieder stimmberechtigt sein, weil das normale Aufnahmeverfahren ohne speziellen Vorstandsbeschluss einen Monat dauert. Und die anderen Neueinsteiger? „Dann sind wir ja zum Glück nicht mehr neu“, sagte eine eben eingetretene Frau aus Eislingen. Tatsächlich dürften einige Neugrüne an diesem denkwürdigen Abend als Parteimitglieder um Jahre gealtert sein.