Der Ulmer OB Ivo Gönner spannt die Stadt seit Monaten auf die Folter. Am Mittwoch will er endlich sagen, ob er Ende des Jahres nochmals kandidiert.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Ein journalistischer Versuch noch, kürzlich, als die Stadt das 125-Jahr-Jubiläum des Münsterturms feierte und Ivo Gönner für einen Moment allein stand. Frage: „Herr Gönner, werden Sie jetzt verlängern oder nicht?“ Die Antwort: ein vergnügtes Grinsen, begleitet von dem bedeutungsschweren Satz, im Prinzip wisse er schon, was er mache. „Aber ganz sicher ist es noch nicht.“

 

So geht das jetzt seit Monaten, ach was, seit der Reform des öffentlichen Dienstrechts 2011. Bürgermeister im Südwesten dürfen demnach bis zum 68. Lebensjahr im Amt arbeiten und sich auch dann wählen lassen, wenn sie keine volle achtjährige Legislatur mehr schaffen.

Macht er es zum vierten Mal?

Damit könnte Ivo Gönner im Dezember in seinen vierten OB-Wahlkampf in der Donaustadt ziehen. Weil er erst 2020 das Alter von 68 erreicht, wäre noch eine halbe Amtszeit drin. Kein Zweifel, dass er als Rathauschef bestätigt werden würde. Aber will er? Wird er? Am Mittwochabend, endlich, lüftet Ivo Gönner vor dem Gemeinderat das Geheimnis um seine Zukunftspläne.

„Wessen Lippen schweigen, der schwätzt mit den Fingerspitzen; aus allen Poren dringt ihm der Verrat“, schrieb Sigmund Freud im Jahr 1905. Und weil Gönner nicht nur keine Mühe damit hat, seine Absichten zu verbergen, sondern sogar erkennbaren Spaß daran, wird nach Freud’- scher Maxime gedeutet, was das Zeug hält.

Das Unwirsche in Gönners Gebaren, die Neigung, kritische Debatten abzuschneiden oder sie zu ironisieren, habe zugenommen, dringt hier und da aus dem Gemeinderat. Das seien Zeichen der Amtsmüdigkeit. „Ich nehme Ihre Kritik wie Maria ins Herz und werde sie dort bewegen“, so was sagt der SPD-Oberbürgermeister auch schon mal in der Journalistenrunde. Ein Gerücht besagt, Gönner habe Freunden anvertraut, er werde nach Ende seiner Amtszeit in den Schwarzwald ziehen, den er seit seiner Zeit als Jesuiten-schüler in St. Blasien liebe.

Die Nervosität bei den Fraktionen wächst

Kann schon sein, dass solche Beobachtungen mehr über die wachsende Nervosität der Beobachter verraten als über die Person ihrer Neugierde. Für die Rathausfraktionen geht es schließlich um die Frage, ob es lohnt, nach einem Kandidaten für die 2016 beginnende nächste Amtszeit Ausschau zu halten. Bislang sind zwei Namen im Spiel. Für die CDU könnte der Ulmer Finanzbürgermeister Gunter Czisch in den Ring steigen. Als SPD-Nachfolger auf dem Rathauschefsessel wird immer wieder der Landtagsabgeordnete Martin Rivoir genannt. Und tatsächlich: Rivoirs öffentlicher Aktionsradius hat sich in den vergangenen Monaten enorm vergrößert. Weiß der Parteifreund längst mehr als alle anderen? Weder Czisch noch Rivoir würden in eine Kampfkandidatur gegen Ivo Gönner ziehen, dazu sind sie ihm viel zu verbunden. Und längst nicht nur sie.

Es ist eine Eigenheit des großen Menschenfischers Gönner, sein Umfeld in eine Jüngerschar zu transformieren, die er sodann mit strenger Milde anleitet. Doch da wird ein weiteres Zeichen für einen nahenden Abschied erkennbar. Aus einer über Jahre gefügten kommunalpolitischen Männerriege gingen oder gehen wichtige Stützen des OB verloren. Baubürgermeister Alexander Wetzig hat im Mai nach 24 Dienstjahren altershalber aufhören müssen. Matthias Berz, 60, muss Ende Juni seinen Posten als Geschäftsführer der hochdefizitären Stadtwerke räumen. Manfred Oster, Vorstandschef der Ulmer Sparkasse, ist 62 und steht ebenfalls unter Beschuss wegen der umstrittenen Scala-Sparverträge. Gönners Entscheidung wird auch davon abhängen, wie viele Junge und Wilde er noch ertragen mag. Für Donnerstag hat er eine Pressekonferenz anberaumt.