Die Kansas City Chiefs haben mit einem 31:20-Sieg im Super Bowl über die San Francisco 49ers ihre lange Durststrecke ohne Titel beendet. Der neue NFL-Superstar Patrick Mahomes lieferte ab, als es darauf ankam.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Miami - Es sah schon so aus, als müsste die Krönungsmesse ausfallen. Wieder einmal. Doch dann, als es darauf ankam, lieferte der Kronprinz der amerikanischen Football-Profiliga NFL ab. Wieder einmal.

 

Nach einem 10:20-Rückstand im Super Bowl am Sonntagabend (Ortszeit) in Miami zeigte Patrick Mahomes, weshalb er der nächste ganz große Spieler der Liga ist. Der 24 Jahre junge Quarterback der Kansas City Chiefs schüttelte die negativen Momente aus den ersten drei Vierteln einfach ab und drehte das Endspiel gegen die San Francisco 49ers noch mit zwei späten Touchdown-Pässen. Am Ende hieß es 31:20 (10:10). „Wir haben Herz“, erklärte er hinterher in einem grauen T-Shirt mit der Aufschrift Champion und fügte ausgelassen an: „Wir geben nie auf und kämpfen bis zum Ende. Danke, Kansas City, wir haben’s geschafft, Baby!“

Es gab noch nie einen Spieler in der NFL, der in Mahomes’ Alter schon die Auszeichnung zum besten Spieler der Saison (MVP) und den Meistertitel gewonnen hat. Der Texaner mit dem außergewöhnlichen Wurftalent verschiebt Grenzen und lässt sich durch Widrigkeiten wie den zwei vom Gegner abgefangenen Bällen im Super Bowl nicht aus der Bahn werfen. Er ist der legitime Nachfolger des Altmeisters Tom Brady, dem erfolgreichsten Quarterback der NFL-Geschichte von den New England Patriots, mit denen der 42-Jährige sechs Titel holte.

Die Mitspieler richten sich an ihrem Star-Quarterback auf

Ein erfolgreicher Quarterback zu sein bedeutet vor allem auch, in ausweglosen Situationen Lösungen zu finden – und das auch an einem Tag, an dem nicht alles rund läuft. Und als es im Super Bowl eng wurde, tat nach nervösem Beginn und lange unterdurchschnittlicher Vorstellung Mahomes genau das, was große Spieler dann tun: Im vierten Viertel – der Zeit, in der Helden gemacht werden – riss er das Spiel an sich und sein Team mit sich. „Er hat uns ermutigt und uns gesagt, dass wir nicht den Glauben an uns verlieren dürfen“, sagte sein Mitspieler Tyreek Hill, der einräumte selbst schon am Verzweifeln gewesen zu sein: „Er meinte zu mir: Hey Nummer 10, du musst dran glauben, Bruder. Das haut noch hin, Mann, ich kann es spüren.“

Sieben Minuten vor und dem Ende waren die Chiefs ja schon fast geschlagen. Bei einem dritten Versuch in der eigenen Hälfte brauchten sie 15 Yards Raumgewinn, ein schwieriges Unterfangen, zumal der Gegner genau weiß, dass in so einer schier ausweglosen Situation ein Pass kommt. Doch Mahomes behielt die Nerven und verbuchte satte 44 Yards mit einem starken Wurf auf den superschnellen Hill, der mit einer Olympiateilnahme im Sommer in Tokio als Sprinter liebäugelt. Wenig später folgte der Touchdown zum 17:20. Während dem 49ers-Quarterback Jimmy Garoppolo so gut wie nichts mehr gelang, trumpfte sein Gegenüber in der entscheidenden Phase auf. „Ich bin einfach nur froh, dass unsere Jungs nie aufgehört haben zu kämpfen und wir am Ende einen Weg gefunden haben, das Ding für uns zu entscheiden“, sagte Mahomes.

Aufholjagden in allen drei Spielen in den Play-offs

In allen drei Play-off-Spielen auf dem Weg zur Meisterschaft machten die Chiefs große Rückstände wett. Während sie im Viertelfinale gegen die Houston Texans (51:31 nach 0:24) und im Halbfinale gegen die Tennessee Titans (35:24 nach 7:17) früh ins Hintertreffen geraten waren, lagen sie im Super Bowl ziemlich spät noch ziemlich hoch zurück. Drei solche Aufholjagden waren zuvor noch nie einem Team in den Play-offs gelungen. Magier Mahomes macht’s möglich.

Für die Fans aus Kansas City ging mit dem Erfolg in Miami eine lange Durststrecke zu Ende. 1970 hatten sie ihre erste und 50 Jahre lang einzige Meisterschaft gewonnen – so viel Zeit war noch nie bei einer NFL-Mannschaft zwischen zwei Titeln vergangen. Damals rauchten die Spieler noch in der Kabine, allen voran auch der legendäre Chiefs-Quarterback Len Dawson. Musterprofi Mahomes dagegen lässt allenfalls die Köpfe der gegnerischen Verteidiger rauchen – so wie in der Endphase des Super Bowls, als die 49ers kein Mittel mehr gegen ihn fanden. Damit bescherte er auch seinem Coach Andy Reid (61) in dessen 21. Jahr als Cheftrainer den ersten Titel.

Patrick Mahomes steht ein großer Zahltag bevor

Reid hat ein Händchen für junge Quarterbacks und hat nun mit Mahomes sein Meisterstück gemacht. Zu Collegezeiten gab es ja Zweifel an der NFL-Tauglichkeit des neuen Superstars. Über dessen gewaltiges Potenzial und dessen mächtigen Wurfarm gab es keine zwei Meinungen. Doch das anarchische anmutende, voll auf wildes Passspiel ausgerichtete Air-Raid-Offensivsystem an der Texas-Tech-Universität weckte viele Bedenken, ob Mahomes Profiverteidigungen würde lesen können und die spielerische Disziplin erlangen würde, die es in der NFL braucht.

Nur drei Jahre später inklusive einer ersten Lehrsaison auf der Ersatzbank ist Mahomes das neue Gesicht der Liga und sieht einem großen Zahltag entgegen. Bis jetzt liegt er mit einem Salär von etwas mehr als vier Millionen Dollar pro Jahr noch auf Platz 343 der NFL-Gehaltsskala. Aber nicht mehr lange. Denn Mahomes wird wohl noch im Lauf des Jahres 2020 alle bisherigen Gehaltsdimensionen der Liga sprengen. Mindestens 200 Millionen Dollar wird er, so wird gemutmaßt, für einen neuen Fünfjahresvertrag bekommen.

Auf die sportliche Krönungsmesse wird die finanzielle Krönungsmesse folgen.