Der Nimbus der Kanzlerin hat Schaden genommen. Schon mehren sich Gerüchte über einen Rücktritt vor dem Ende der Regierungsperiode. Doch hat die CDU Alternativen?
Berlin - Am Wahlabend rücken zunächst naheliegende Fragen in den Vordergrund: Mit wem wird Angela Merkel nun regieren? Und wer kommt ins Kabinett? Viel spannender ist jedoch die Frage, wie lange Merkel noch zu regieren gedenkt. Diese Frage wurde schon vor vier Jahren heiß diskutiert, ungeachtet aller Euphorie wegen der 41,5 Prozent damals – Merkels bestem Ergebnis. Jetzt nach der Flucht vieler CDU-Wähler zur AfD drängt sie sich mit aller Macht auf. Dem Respekt vor Merkels viertem Wahlsieg wird eine kurze Halbwertszeit beschieden sein.
Merkle hat den Zenit ihres Ansehens überschritten
Die vergangene Amtszeit galt als Merkels schwierigste. Der „Stern“ schrieb beizeiten: „Merkel will 2016 aufhören.“ Der „Spiegel“ prophezeite 2014 einen Ausstieg vor der jetzigen Wahl. Das nennt man heutzutage Fake-News. Für Spekulationen über Merkels Restlaufzeit gibt es jetzt aber neuen Zündstoff. Das miserable Wahlergebnis macht deutlich: Merkel hat den Zenit ihres Ansehens überschritten. In Unionskreisen zirkulierte jüngst noch die Mutmaßung, sie könnte ihr Amt als CDU-Parteivorsitzende 2018 an einen Nachfolgekandidaten abtreten. Das müssen Leute in Umlauf gebracht haben, die Merkel schlecht kennen. Sie hielt die Entscheidung ihres Amtsvorgängers Gerhard Schröder, den SPD-Vorsitz wegen des Ärgers über die Agenda 2010 vorzeitig aufzugeben, für einen schweren handwerklichen Fehler – den Beginn seines Machtverfalls. Im Wahlkampf hat sie selbst betont, beide Spitzenämter in Partei und Staat volle vier Jahre behalten zu wollen. Die Möglichkeit einer erneuten Kandidatur 2021 schloss sie nicht aus. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen, denn just in dem Moment, in dem sie signalisiert, wann sie aufzuhören gedenkt, zerbröselt ihre Autorität. Ihre Partei könnte 2021 erneut vor der Frage stehen, die sie zuletzt für ein paar Monate umgetrieben hat: Tritt Merkel noch einmal an? Bis jetzt ist niemand in Sicht, der Merkel nötigen könnte, diese Frage früher zu beantworten.
Kein Kanzler hat den reibungslosen Ausstieg bisher geschafft
Ausgerechnet CSU-Chef Horst Seehofer hatte eine fünfte Amtszeit ins Gespräch gebracht. Dabei sägte er schon mächtig an Merkels Stuhl. Und seit Sonntag bedauert er seine zwischenzeitliche Merkel-Freundlichkeit schon wieder. Der Unmut über ihre Flüchtlingspolitik war ein Warnschuss für Merkel. Das miese Ergebnis jetzt ist wieder einer. Wenn sie einen reibungslosen Wechsel schaffen möchte, was bisher keinem Kanzler gelang, dann muss er unerwartet passieren. Sie könnte das nur mit wenigen Vertrauten erörtern. Doch bei einem vorzeitigen Abtreten würde sie wortbrüchig. Das könnte aber auch umgekehrt so kommen. 1998 sagte Merkel einmal: „Ich will kein halb totes Wrack sein, wenn ich aus der Politik aussteige.“