Minister Niebel hat sich nach einem Teppichkauf in Kabul von BND-Chef Schindler kostenfrei und am Zoll vorbei beliefern lassen. Die Kanzlerin geht auf Distanz.

Berlin - Der Teppich soll schön sein, den Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel im März in Kabul erworben hat. 30 Kilogramm schwer, neun Quadratmeter groß, 1400 Dollar teuer. „In roten Farben gehalten“ sei das gute Stück, sagte sein Sprecher Rolf Steltemeier, „mit ein wenig Schwarz drin. Aber ob Niebel an der Knüpfkunst aus Afghanistan viel Freude haben wird, ist fraglich. Denn das Geschäft bringt den FDP-Mann unter Druck, auch wenn Steltemeier klarstellte, dass man „nichts unter den Teppich kehren“ wolle.

 

Erworben hat Niebel den Teppich im März während einer Dienstreise. Das private Geschäft sei in der deutschen Botschaft in Kabul abgewickelt worden, sagte Steltemeier. Deshalb gehe der Minister auch davon aus, dass der Teppich nicht wie in Afghanistan häufig der Fall in Kinderarbeit hergestellt wurde. Weil Niebel Linie fliegen musste, konnte er den Teppich nicht mitnehmen, er wurde in der Botschaft gelagert. Als versandfreien Lieferservice nahm Niebel zwei Monate später den Auslandsgeheimdienst BND in Anspruch. Die Angelegenheit sei per SMS zwischen einem Botschaftsmitarbeiter und Niebels Referenten abgehandelt worden, Niebel und Schindler hätten darüber nicht miteinander gesprochen. Im Dienstjet von Präsident Gerhard Schindler wurde der Teppich dann nach Berlin geflogen. Dort nahm der Fahrer Niebels auf dem Rollfeld des Flughafens Schönefeld den Teppich am 20. Mai in Empfang und brachte ihn laut Ministeriumssprecher „zu Niebels nach Hause“ – also nach Heidelberg. Im Dienstwagen des Ministers, am Zoll vorbei.

Nur ein Missverständnis?

Erst die Nachfragen des „Spiegels“ veranlassten Niebel, den Teppich beim Zoll zu melden. Der Minister erklärte, er „bedauere, dass der Antrag auf Verzollung erst mit Verzögerung gestellt wurde“. Selbstverständlich komme er „allen Rechtspflichten in meinem dienstlichen und privaten Handeln nach“. Er habe vorgehabt, den Teppich bei seinem nächsten Afghanistan-Aufenthalt als persönliches Gepäck mit nach Deutschland zu nehmen, „das hätte ebenso keine Kosten verursacht wie der jetzige Transportweg“. Niebel ließ darüber hinaus erklären, Schindler habe ihm „einen persönlichen Gefallen“ getan. Schindler ist FDP-Mitglied und wie der fast zehn Jahre jüngere Niebel ehemaliger Fallschirmjäger der Bundeswehr. Niebels Sprecher sagte aber, die beiden seien nicht befreundet.

Im Ministerium spricht man von einem „Missverständnis“. Niebel sei davon ausgegangen, dass die Verzollung bei Übergabe der Ware beantragt worden sei, der BND sei dagegen von einem nicht zu verzollenden Amtsgeschäft ausgegangen. Dazu passt aber nicht die Darstellung Steltemeiers, wonach sich Niebel später über die Verzollung noch „Gedanken gemacht“ und „im privaten Kreis darüber gesprochen“ habe. Die Sache sei dann aber „liegen geblieben“ und erst die „Spiegel“-Anfrage habe Niebel daran erinnert. Es sei ein „Fehler“ Niebels gewesen, sich nicht mit den Regelungen zu beschäftigen. Den Arbeitseinsatz seines Fahrers werde Niebel selbstverständlich als Privatfahrt steuerlich geltend machen.

Merkel geht auf Distanz

Kanzlerin Angela Merkel ging auf Distanz. Die Regierungschefin gehe „davon aus, dass das, was offenbar versäumt wurde, so schnell und so vollständig wie möglich nachgeholt wird“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Ein anderes Vorgehen wäre „noch korrekter und deshalb vorzuziehen gewesen“, sagte Seibert. Martin Kotthaus, Sprecher des in Zollfragen zuständigen Finanzministeriums, sagte, bei einem Warenwert von 1000 Euro hätte Niebel etwa 200 Euro an Zoll und Umsatzsteuer bezahlen müssen. Durch die Selbstanzeige erübrige sich aber ein Strafverfahren.

Die Opposition kritisierte Niebel scharf. „Wie sollen wir glaubhaft gegenüber unseren Partnerländern gute Regierungsführung einfordern, wenn sich ausgerechnet der dafür zuständige Entwicklungsminister wie ein Autokrat aufführt“, fragte der SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe. Ähnlich äußerten sich Grüne und Linke.