Mehrere Landtagswahlen stehen vor der Tür – und die Union wird angesichts der Umfragewerte der SPD immer nervöser. Noch immer findet sie nicht zu einer allseits akzeptierten Strategie im Kampf gegen das Phänomen Martin Schulz.

Berlin - Es ist nur ein kurzer Text. Aber er ist schonungslos. Und ziemlich bitter. Michael Spreng ist keiner, der in der Union die Flöhe husten hört. Aber er weiß, wie man Wahlkämpfe verlieren kann, wenn der Gegner plötzlich auf einer Sympathiewelle schwimmt. 2002 hat er das erlebt – als Chefstratege hinter dem scheiternden Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU). „Wieder hat sich eine Hoffnung der CDU/CSU zerschlagen“, schreibt er in seinem Blog, nachdem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gerade mit 100 Prozent der Stimmen am Sonntag zum neuen Parteichef gewählt worden war. „Es wird in diesem Jahr keinen Streit in der SPD geben.“

 

Spreng scheint zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass die Union die fremde Schützenhilfe dringend bräuchte, weil ihr die Ideen ausgehen, wie gegen den Schulz-Hype anzukommen ist. Dabei hat man doch einiges versucht. „Weder seine angeblichen Brüsseler Affären noch die Erinnerung daran, dass er einst für den EU-Beitritt der Türkei warb, noch der Vorwurf, er verrate Gerhard Schröder und wracke die Agenda 2010 ab“ – nichts habe verfangen. Das alles gehe, schreibt Spreng, dem Wähler „am Allerwertesten vorbei“. Jetzt bleibe nur noch die Warnung vor Rot-Rot-Grün, aber ach, auch das sei doch nur ein „Papierpfeil“.

Der Union kann es allmählich mulmig werden

Ist das Schwarzmalerei? Tatsächlich kann es der Union mulmig werden. Da baut sich etwas auf. Am Sonntag wird im Saarland gewählt. Dann im Mai in Schleswig-Holstein und vor allem in NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Wer es dort schafft, kann es überall schaffen. Die Umfragen lassen die SPD in allen drei Ländern von der Macht träumen. In den Landtagswahlen drohen der Union nicht nur Niederlagen, sondern auch personelle Rückschläge. Mit Armin Laschet könnte der Merkel-Stellvertreter als Parteichef eine Schlappe einfahren. Und im Saarland wird es eng für Annegret Kramp-Karrenbauer, eine der engsten Merkel-Vertrauten.

Höchste Zeit also für die Union, eine entscheidende Frage zu beantworten: Wie macht man Wahlkampf gegen einen Gegner, den Spreng so beschreibt: „Einer, der reden kann (im Gegensatz zu Merkel), der emotional ist (was Merkel auch nicht beherrscht) und der Politik in Geschichten erzählen kann – auch nicht gerade Merkels Stärke.“

In der Union streiten sich zwei Denkschulen

Es gibt darauf keine einvernehmliche Antwort in der Union. Stattdessen gibt es Denkschulen, die zunehmend härter um den Kurs ringen. Die eine vertritt Angela Merkel, mit ihr der Generalsekretär Peter Tauber und wohl auch Fraktionschef Volker Kauder. Sie lautet: Ruhig bleiben und auf Zeit spielen. Schulz wird nicht ewig im Ungefähren bleiben können. Irgendwann wird er konkret werden, und dann werde die Union darlegen können, wie teuer dessen Versprechen seien, wie schädlich für die Konjunktur. Und dagegen könne man Merkels Erfahrung in der Bewältigung von Krisen stellen. Da passt es ins Bild, wenn Tauber am Montag erneut betonte, man werde „Herrn Schulz nicht persönlich angreifen“. Und es passt auch ins Bild, dass Angela Merkel bei ihren Auftritten den Namen ihres Herausforderers gar nicht erst in den Mund nimmt. Als Strategie ist das ziemlich kaltblütig, denn was sich im September bei den Bundestagswahlen auszahlen soll, kann auf der Strecke die politischen Karrieren der Parteifreunde Laschet und Kramp-Karrenbauer kosten. So wurde in der Partei denn auch sehr genau registriert, dass sich die Saarländerin bei einem heiß diskutiertem Thema offen gegen Merkel stellte – wenn auch sicher nicht ohne Abstimmung mit ihr: dem von ihr verkündeten Auftrittsverbot türkischer Politiker im Saarland.

Zuspruch für Merkel von unerwarteter Seite

Nicht alle in der Union haben so viel Geduld. Sie sehnen sich nach einem Wahlkampf mit Kampfgeist und klarer Kante. Wenn Schulz, nach links rückend, mit vollen Händen sozialpolitische Wohltaten ausstreut, dann soll die Union, nach rechts rückend, ordnungspolitisch Kurs halten. Präsidiumsmitglied Jens Spahn wird dieser Ansatz zugeschrieben. Er wird mit dem Satz zitiert, er habe den Eindruck, die gesellschaftliche Mitte befinde sich „mittlerweise rechts von der CDU“. Auch Wolfgang Schäuble werden Sympathien für diesen Kurs nachgesagt. Das Problem ist: Angela Merkel hat als Bundeskanzlerin noch keinen Wahlkampf im Konfrontationsmodus geführt. Kann sie das überhaupt?