Die Bundeskanzlerin hat vom VW-Abgasskandal erst aus den Medien erfahren. Das hat sie vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags gesagt. Sie sieht keinen Grund, an der Aufsicht der Behörden etwas zu verändern.

Berlin - Die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Abgasskandals deutlich gemacht, dass sie vor dem Bekanntwerden der Missstände keine Hinweise auf die Manipulationen der Autoindustrie hatte. Als letzte von 57 Zeugen, die der Untersuchungsausschuss des Bundestags vernommen hat, sagte Merkel, sie habe am 19. September 2015 aus dem Radio von den Vorwürfen gegen VW gehört. Da es sich um einen Tag am Wochenende handelte, sei sie spätestens am Montag von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) telefonisch informiert worden. Der Verkehrsminister habe ihr gesagt, er werde eine Untersuchungskommission einrichten. „Ich habe ihn ermutigt, die Dinge in voller Transparenz ans Tageslicht zu bringen“, so Merkel.

 

Während die Grünen und die Linkspartei der Bundesregierung ein Staatsversagen bei der Kontrolle der Abgaswerte vorwerfen, wies Merkel die Vorwürfe zurück. Obwohl sie als frühere Bundesumweltministerin mit Klima- und Umweltschutzmaßnahmen gut vertraut sei, habe sie sich als Bundeskanzlerin nicht mit Testergebnissen befasst. „Ich habe keine detaillierte Kenntnis“, sagte Merkel. Dass es in Dieselfahrzeugen Abschaltvorrichtungen gab, die bei Tests aktiviert wurden, habe sie erst den Medien entnommen. Merkel sieht keinen Grund, die Arbeit der Behörden zu verändern.

Merkel sagt: Kannte das Ausmaß nicht

Allerdings machte Merkel klar, dass die Politik von der Ausnahmebestimmung bei den Abgasuntersuchungen wusste. Diese Ausnahmen waren nach den EU-Regeln zum Schutz der Motoren zulässig. Nicht bekannt war, dass die Ausnahmen von den Autoherstellern zu extensiv genutzt worden sind. So lautet das Erklärungsmuster der Kanzlerin. Inzwischen habe die Politik darauf reagiert. Auf EU-Ebene wurde beschlossen, dass sich Abgasmessungen an dem realen Fahrverhalten orientieren müssen. „Ich habe den Eindruck, dass man sich den realen Verhältnissen angepasst hat“, sagte Merkel. Damit seien aus ihrer Sicht die Fehler behoben.

Ein Versagen der Behörden sieht die Kanzlerin nicht. Ausdrücklich bezog sie sich dabei auf die Tätigkeit des Kraftfahrtbundesamts. „Ich sehe keine strukturellen Veränderungsnotwendigkeiten“, meinte die Kanzlerin. Während der zweistündigen Befragung kehrte Merkel immer wieder zu denselben Aussagen zurück. Während die Opposition einen Skandal sieht, sprach Merkel von „Vorkommnissen“.

Kein Zweifel besteht für sie darin, dass die Abgasmanipulationen „für das Bild der deutschen Automobilindustrie ein sehr bedauerlicher Vorgang sind“. Dies habe sie den Automanagern nach Bekanntwerden der Vorwürfe auch gesagt. Sie habe den Eindruck gehabt, dass die Verantwortlichen in der Industrie ihr Urteil teilten.

Opposition sieht Kumpanei mit Autoindustrie

Die Grünen und Linken sehen Anzeichen, dass sich die Bundesregierung mit der deutschen Autoindustrie verbündet habe. Angela Merkel sagte, sie stehe sowohl mit der Industrie, den Gewerkschaften als auch den Umweltverbänden in Kontakt. Sie fügte hinzu, dass es ihr in den europäischen Verhandlungen über Abgasgrenzwerte immer darum gegangen sei, die technische Machbarkeit im Blick zu behalten. Ziel ihrer Regierung sei es gewesen, Normen zu schaffen, die von den Herstellern auch eingehalten werden könnten. Die Politik müsse die Machbarkeit im Blick behalten und zugleich ambitionierte Vorgaben setzen. Im Europäischen Rat gebe es beim Klima- und Umweltschutz immer kontroverse Diskussionen. Die Länder, die keine Autoindustrie haben, hätten sich für die strengsten Auflagen ausgesprochen. Am Ende seien aber vernünftige Kompromisse gefunden worden.

Nach Merkels Auftritt ziehen die Fraktionen im Bundestag eine unterschiedliche Bilanz. Der Ausschussvorsitzende Herbert Behrens (Linke) bedauerte, dass die Bundesregierung den Abgasskandal als alleinigen Fehler von Volkswagen darstelle: „Es ist nicht nur VW, es sind auch andere Automobilkonzerne, die nicht die Wahrheit sagen.“ Nach wie vor wichen die Schadstoffwerte von den Emissionen im realen Fahrbetrieb ab. Die Grünen warfen Merkel vor, den Skandal in unverantwortlicher Weise zu bagatellisieren. Die große Koalition sieht kein Versagen von Politik und Behörden: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Behörden vorher von illegalen Manipulationen etwas wussten“, sagte das Ausschussmitglied Kirsten Lühmann (SPD). Dennoch plädiert sie dafür, das Kraftfahrtbundesamt aufzurüsten. „Wir brauchen eine Kontrollbehörde, die besser ausgestattet ist“, sagte Lühmann. Sie setzt sich dafür ein, dass ähnliche Prüfhallen gebaut werden wie in den USA.