Die Kanzlerin tritt am ersten Tag der November-Maßnahmen vor die Presse und nimmt Stellung zur Kritik daran – zu einem Punkt macht sie einen konkreten Änderungsvorschlag.

Berlin - Angela Merkel hat am Montag in der Bundespressekonferenz die Bürger gebeten, mit ihrem Verhalten den Kampf gegen die Corona-Pandemie zu unterstützen. Die Kanzlerin ging zudem auf die Kritik an den neuen Maßnahmen ein: „Es gibt Zweifel, Skepsis, Ablehnung.“

 

Merkel zum Handlungsbedarf

Im Grundsatz sieht Merkel keine Alternative zu dem am Montag in Kraft getretenen Teil-Lockdown: „Wir haben lange abgewogen, ob es einen besseren oder milderen Weg gibt, haben aber keinen gesehen.“ In Deutschland gelte das Präventionsgebot, man könne nicht warten, bis die bereits gestiegene Intensivbettenauslastung in den Krankenhäusern zu einer Überlastung geführt habe: „Das kann keine Regierung zulassen.“ Die Infektionsdynamik habe zudem weitreichende Maßnahmen erfordert: „Das Virus bestraft Halbherzigkeit.“

Merkel zu alternativen Vorschlägen

Die Forderung der Kassenärzte oder des Bonner Virologen Hendrik Streeck, auf ein Zurückfahren des öffentlichen Lebens zu verzichten und stattdessen vor allem Corona-Risikogruppen speziell zu schützen, erteilte die Kanzlerin eine Absage. Sie verwies auf den hohen Altersdurchschnitt, weshalb 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung Deutschlands zu stärker gefährdeten Gruppen gehörten. Allein schon die Vorstellung, all diese Menschen zu isolieren und etwa mit Essen zu beliefern, sei abwegig. Schweden taugt aus Merkels Sicht ebenfalls nicht als Beispiel, weil es dort viel weniger Ballungsräume mit kürzeren Virusübertragungswegen gebe.

Merkel zum Ärger der Gastronomen

Den Frust von Barbetreibern, Restaurantbesitzern oder Hoteliers, die schließen mussten, obwohl sie teils ausgefeilte Hygienekonzepte für einen Betrieb unter Corona-Bedingungen entwickelt und umgesetzt hatten, ist der Regierungschefin verständlich: „Das sind sehr wertvolle Vorkehrungen, wenn wir wieder in eine etwas freiere Zeit hineinkommen.“ Jetzt aber, da Merkel zufolge drei Viertel der Infektionen nicht mehr bestimmten Orten zuzuordnen sind und die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Kontakte drastisch reduziert werden muss, könne es bis auf die zentralen Bereiche Infrastruktur, Wirtschaft, Handel, Bildung und Betreuung keine Ausnahmen geben.

Merkel zum Frust in der Kulturszene

„Mit viel Liebe und Engagement“ habe die Kulturszene zuletzt kreative Auftrittsmöglichkeiten gefunden, so Merkel, „umso mehr schmerzt es, auch mich“, dass nun alle großen und kleinen Häuser unter den partiellen Lockdown fallen. Die Kanzlerin sichert zu, dass anders als teils im März Soloselbstständige bei der Überbrückungshilfe nicht durch das Raster fallen werden. Sie schränkt jedoch ein, dass Gesetze angesichts der Vielzahl individueller Lebensentwürfe nicht zu hundert Prozent jeden Einzelfall abdecken könnten.

Merkel zur Dauer-Lockdown-Sorge

„Entscheidend ist die Sieben-Tages-Inzidenz“, antwortet Merkel auf die Frage, anhand welches Kriteriums sie und die Ministerpräsidenten der Länder am 16. November über das weitere Vorgehen entscheiden. Ziel ist der Kanzlerin zufolge, die durchschnittliche Zahl der Ansteckungen pro 100 000 Einwohner in der vergangenen Woche von aktuell 127,8 auf einen Wert von etwa 50 zu drücken – der wieder eine Nachverfolgung der Kontakte ermöglicht. Aus diesem anspruchsvollen Ziel ergibt sich die Sorge, dass die Maßnahmen verlängert oder noch verschärft werden könnten, wenn es nicht erreicht wird. Merkel will nichts ausschließen, auch nicht, dass vielleicht doch noch die Schulen geschlossen werden könnten, verspricht aber, „alles zu tun, damit es auf diesen November beschränkt bleibt“.

Merkel zum Rolle des Parlaments

Die Kanzlerin kontert die Kritik an einer mangelnden Parlamentsbeteiligung bei der Pandemiebekämpfung. Der Bundestag habe gerade mit Blick auf den Herbst und Winter im März bewusst beschlossen, die pandemische Notlage, in der die Regierung Sondervollmachten erhält, für ein Jahr festzustellen. Merkel erklärte am Montag zugleich die Bereitschaft, das Parlament regelmäßig vor Ministerpräsidentenkonferenzen zu unterrichten – so, wie das vor EU-Gipfeln mit deren oftmals weitreichenden Entscheidungen bereits der Fall ist: „Das könnte ich mir sehr gut vorstellen.“