Das Börsendebüt des Sportwagenherstellers Porsche ist geglückt. Doch im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland recht wenig Börsengänge. Die Politik will das ändern.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Am Donnerstag prescht Porsche an die Börse. Ein Schritt, den in Deutschland auch in besseren Zeiten recht wenige Unternehmen wagen. Wir erklären die Hintergründe.

 

Was bringt ein Börsengang überhaupt?

Zunächst einmal bringt der Verkauf von Aktien – also Unternehmensanteilen – natürlich Geld. Im Vergleich zu Krediten und Anleihen biete eine Finanzierung über die Börse den Vorteil, dass das Eigenkapital gestärkt werde, erläutert Kristina Borrmann, Unternehmensberaterin und Mitglied der Kommission Steuern und Finanzen beim Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. „Mit einer höheren Eigenkapitalquote kommen Unternehmen später wiederum günstiger an Kredite.“ Ist die Gesellschaft einmal an der Börse notiert, kann sie außerdem durch die Ausgabe neuer Aktien vergleichsweise leicht ihr Kapital erhöhen. Den größten Vorteil einer Börsennotierung sehen Firmen, die diesen Schritt getan haben, allerdings in der Steigerung ihres Bekanntheitsgrads. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Aktieninstituts von 2018 hervor.

Was kostet ein Börsengang?

Neben den Gebühren für die Börsenzulassung und den Ausgaben für den Wertpapierprospekt entstehen Kosten für Berater, Wirtschaftsprüfer, Anwälte und die Banken, die den Börsengang begleiten. Bei kleineren Börsengängen fallen diese Kosten besonders ins Gewicht: Laut Schätzungen der European IPO Task Force, einer Interessenvertretung von Börsen, Investoren und Unternehmensberatungen, werden bei Börsengängen mit einem Volumen unter 50 Millionen Euro bis zu zehn Prozent der Erlöse von den Kosten aufgefressen. Hinzu kommen Folgekosten für das Erstellen von Finanzberichten, die Organisation von Hauptversammlungen und die Einrichtung eines Aufsichtsrats.

Gibt es weitere Nachteile?

Wenn eine GmbH neue Gesellschafter ins Boot holt, weiß sie, auf wen sie sich einlässt. Ein börsennotiertes Unternehmen muss dagegen hinnehmen, wenn durch den Erwerb bedeutender Aktienpakete der Einfluss von Investoren wächst, die man sich nicht gewünscht hat. „Auch die Furcht vor feindlichen Übernahmen ist für viele Unternehmen ein Thema“, sagt Unternehmensberaterin Borrmann. Zudem müssen sich börsennotierte Firmen mit Analysten und Journalisten auseinandersetzen, die ihre Finanzberichte studieren. Auch die Konkurrenz könne auf diese Weise börsennotierten Unternehmen in die Karten schauen, gibt Borrmann zu bedenken. „Das kann ein Wettbewerbsnachteil sein.“

Trotzdem gibt es in anderen Ländern mehr Börsengänge . . .

Aufsehen erregte in der Coronakrise, dass ausgerechnet die beiden Impfstoffentwickler Biontech und Curevac in den USA an die Börse gingen. Auch die Aktienmärkte in Schweden, den Niederlanden und Großbritannien sind, gemessen an der Wirtschaftsleistung, viel größer als in Deutschland. Das zeigt ein Gutachten, das die Beratungsgesellschaft Oxera 2021 für das Bundeswirtschaftsministerium erstellte. Von guten Erfahrungen mit dem schwedischen Kapitalmarkt berichtet auch der Chef der Börse Stuttgart, Matthias Voelkel: „Wir haben an unserer Tochterbörse Nordic Growth Market in Schweden rund 80 kleine und mittlere Unternehmen gelistet. Es ist begeisternd, wenn junge, wachsende Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt bekommen. Da sind die Schweden fünf bis zehn Jahre weiter als wir in Deutschland.“

Wie kommt das?

In Schweden läuft die Börsenzulassung laut Oxera-Gutachten deutlich schneller ab als hierzulande. Außerdem wird dort seit der Jahrtausendwende ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge in Aktienfonds angelegt. In den Kapitalmarkt fließen dadurch gewaltige Summen. „Wenn die Nachfrage nach Aktien zunimmt, können Unternehmen durch Börsengänge auch mehr Geld einsammeln“, sagt Sven Streibel, Chef-Aktienstratege der DZ-Bank. Je mehr Investoren und Börsenaspiranten es gibt, desto mehr lohne es sich auch für Emissionsbanken und Analysten, Expertise für verschiedene Branchen bereitzustellen – was wiederum weitere Börsengänge begünstige, heißt es in einer Studie des Aktieninstituts. Dies sei ein wesentlicher Grund, warum die US-Börsen auch deutsche Unternehmen anzögen. Aber auch die Attraktivität kleinerer Finanzplätze lässt sich steigern: Seit 2010 ist die Zahl der Börsennotierungen in Schweden laut Oxera-Gutachten um 80 Prozent gestiegen.

Was tut die deutsche Politik?

Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) haben im Juni Eckpunkte für ein „Zukunftsfinanzierungsgesetz“ vorgelegt. Es sieht unter anderem vor, die Anforderungen an eine Börsenzulassung für kleine und mittlere Unternehmen zu erleichtern.

Zudem soll Start-ups und Wachstumsunternehmen die Ausgabe von Mehrfachstimmrechtsaktien ermöglicht werden. Gründer, die ihr Unternehmen an die Börse bringen, könnten sich so mehr Kontrolle sichern. Zwar können Unternehmen den Einfluss neuer Aktionäre schon heute dadurch einschränken, dass sie stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgeben – wie Porsche. Für junge Unternehmen sei dies aber keine Lösung, heißt es im Oxera-Gutachten. Vor dem Börsengang finanzieren sich viele Start-ups nämlich über Wagniskapitalgeber, die für ihr Geld Mitspracherechte einfordern. Ein Investitionsanreiz für diese Geldgeber besteht gerade darin, bei einem Börsengang ihre Anteile wieder zu Geld zu machen – was nur funktioniert, wenn sie ihre mit Stimmrecht ausgestatteten Aktien verkaufen können.