In Karlsruhe ist im Spätjahr OB-Wahl. Bei der CDU hat es eine Abstimmung gegeben, wer der Kandidat werden soll. Das ist nicht ohne Wunden geblieben.

Karlsruhe - Der 15.März war für Karlsruhes CDU eine Zäsur. Mit großer Mehrheit setzte sich Kreischef Ingo Wellenreuther als Kandidat seiner Partei für die Oberbürgermeisterwahl gegen seine Kontrahentin Margret Mergen durch, die Erste Bürgermeisterin der Stadt. Doch das Verhältnis zwischen beiden bleibt gespannt.

 

Wenn es um den KSC geht, ist der Multifunktionär in seinem Element: die Spannung im voll besetzten Wildparkstadion am ersten Sonntag im Mai – im Spiel gegen Frankfurt – habe „einem kollektiven Herzstillstand geglichen, wie man es dem ärgsten Feind nicht wünsche“, ließ KSC-Vereinspräsident Ingo Wellenreuther übers Radio wissen. Und setzt noch eins drauf: der massive Polizeieinsatz wäre mit einem „neuen Stadion nicht nötig gewesen“.

Wenn er von seiner früheren Gegnerin um die Kandidatur für das höchste Wahlamt in Karlsruhe spricht, wird der smarte Bundestagsabgeordnete, der seit 1999 auch im Stadtrat sitzt, eher diplomatisch. Man sei „in gutem Einvernehmen miteinander“, sagt er. Beim Mitgliederentscheid vom März habe er „von fast 70 Prozent der anwesenden 1001 Mitglieder das Vertrauen ausgesprochen“ bekommen. Stolz reckte er an jenem Abend beide Arme hoch.

Hilfestellung für Kandidaturen geboten?

Doch von wirklicher Harmonie kann in der drittgrößten Stadt des Landes keine Rede sein. So werden aus CDU-Kreisen seit Tagen unterschiedliche Sichtweisen eines gemeinsamen Mittagessens des CDU-Chefs und der bis 2015 gewählten Dezernentin Mergen kolportiert. Während Wellenreuther auf Nachfrage davon spricht, es gelte, was er bereits am Abend der Nominierungsveranstaltung gesagt habe – man werde „als gutes Team an der Rathausspitze hervorragend zusammenarbeiten“, wird im Umfeld von Mergen selbiges Mittagessen „als eher unangenehm“ beschrieben.

Wellenreuther soll der – zumindest fürs OB-Amt ausgebooteten – Konkurrentin „Hilfestellung“ angeboten haben, falls diese sich in Heilbronn oder Konstanz bewerben wolle. Er könne, so die zitierten Aussagen, „mit seinem Netzwerk helfen“. Beobachter werten das als einen Versuch „des Weglobens“. Mergen wollte sich dazu nicht äußern. Auch Wellenreuther geht auf die mutmaßlichen Kandidaturen in anderen Städten im Land nicht ein.

Im Vorfeld des Nominierungsparteitags im März hatte es bundesweit Schlagzeilen wegen einer ungewöhnlich hohen Zahl von Parteieintritten in die CDU gegeben. Allein im Februar waren es über 300 neue Parteifreunde. Am Ende gab es 2000 Christdemokraten in Karlsruhe. Vor dem Jahreswechsel zählte man noch rund 1600 Mitglieder. Der Vorgang war Gegenstand eines Schiedsverfahrens, das laut Wellenreuther inzwischen „gütlich beigelegt wurde“.

KSC-Fans als CDU-Mitglieder

Doch das sehen beileibe nicht alle so. Bis zuletzt wurden, so heißt es aus CDU-Kreisen, die Namen der Neueingetretenen „geprüft“. Den Petenten wurde Einblick in entsprechende Listen gewährt. Erstmals am 23. März war die Schiedskommission zusammengetreten: in den Räumen des Rechtsanwalts Peter Kiesinger, einem Sohn des früheren Bundeskanzlers Kurt-Georg Kiesinger, der in Karlsruhe als Anwalt tätig ist. Genau an jenem Tag übrigens, an dem auch das Mittagessen mit Wellenreuther und Mergen stattfand; der Tag, an dem Joachim Gauck als Bundespräsident vereidigt wurde und für Abgeordnete des Bundestags wie Wellenreuther eigentlich Anwesenheit in Berlin angesagt war.

Stattdessen gab es offenkundig in Karlsruhe Äußerungen, dass „schädigende Nachforschungen wegen der Neumitglieder endlich aufhören müssten“. Es bleibt offen, welche Anzahl Neumitglieder aus dem Umfeld des KSC geworben wurden – und mit welchen möglichen Versprechungen. Für Wellenreuther gibt es an der Gültigkeit des Votums vom März „keinen Zweifel“. Auch Mergen stellt die Nominierung offenkundig nicht infrage.

Wie sehr die Kandidatenkür vom März das Partei-Establishment zu spalten scheint, zeigt sich an dem amtierenden und dem früheren Oberbürgermeister der Stadt, Heinz Fenrich und Gerhard Seiler. Beide CDU-Politiker waren bei der Nominierung in der ersten Reihe der Badnerlandhalle gesessen. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses – 660 Mitglieder votierten für Wellenreuther, 301 für Mergen –, waren sowohl Fenrich wie auch Seiler aufgestanden und hatten die vorderen Reihen verlassen. Eine Gratulation für Wellenreuther kam für beide altgediente Bürgermeister – die früh schon als Anhänger Margret Mergens erkennbar waren – wohl nicht infrage.

Aus CDU-Kreisen gibt es gar Gerüchte, dass der bis Februar amtierende CDU-Rathauschef diesmal den Kandidaten einer anderen großen Volkspartei wählen werde: Fenrich soll bereits mehrfach in kleinem Kreise verkündet haben, er „werde SPD-Kandidat Frank Mentrup wählen“. Das Zerwürfnis des 1945 geborenen Fenrich, der in Kürze altershalber ausscheiden wird, mit dem CDU-Kreisvorsitzenden begann Beobachtern zufolge spätestens mit einem heftigen Streit um den Aus- beziehungsweise Neubau des Wildparkstadions vor knapp fünf Jahren – seitdem liegen beide scheinbar unüberbrückbar über Kreuz.

„Wen er wählt und welche Beweggründe sein Wahlverhalten bestimmen, sei ausschließlich seine Privatsache“, lässt Fenrich dazu jetzt auf Anfrage durch sein Büro mitteilen. Zu Spekulationen oder Gerüchten aus seinem Privatbereich nehme er öffentlich keine Stellung. Wellenreuther erwartet erst gar „keine offizielle Unterstützung“ aus dem Rathaus. „Ein amtierender Oberbürgermeister ist zur Neutralität verpflichtet“, sagt er.