EU und UN bieten spannende Karrierewege - Das Aufspüren von freien Stellen ist schwierig.

Darmstadt - Bereits als Kind hat Junior-Commander Florian Renk mit seinen Lego-Raumschiffen den Weltraum unsicher gemacht, doch bis zum Berufseinstieg als promovierter Luft- und Raumfahrtingenieur bei der European Space Agency (Esa) in Darmstadt war es ein relativ weiter Weg. „Während des Studiums, als ich mein Wissen vertiefen und hinter die Kulissen blicken konnte, ist die Begeisterung durchgeschlagen”, sagt der 31-Jährige, der heute im Bereich Missionsanalyse arbeitet. Er arbeitet mit daran, die Flugbahnen für Satelliten zu optimieren, zum Beispiel für Gaia: Die für Ende 2012 geplante Esa-Weltraummission soll helfen, einen neuen Sternenkatalog zu erstellen. „Meine Arbeit ist extrem vielfältig, und oft plant man am Rande des Machbaren.”

 

Viele von Renks Ex-Kommilitonen der Uni Stuttgart haben sich für das Naheliegendere, eine Tätigkeit in der Industrie, entschieden - etwa im Automobilsektor. Dabei bieten Europäische Organisationen sowie die Vereinten Nationen spannende Karriere-Optionen für Ingenieure - und nicht nur für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler. Auf dem diplomatischen Parkett zählt vor allem Persönlichkeit.

Für Sternenforscher (spezialisiert in Elektrotechnik, Luftfahrt, Maschinenbau oder Optomechanik) gibt es gute Stellen, so etwa in der chilenischen Atacama-Wüste. Dort betreibt die Eso (Europäische Südsternwarte) Spitzenforschung. Bis 2020 wird dort E-ELT, das neue „European Extremely Large Telescope” installiert. Die Großteleskop-Anlage mit den Ausmaßen eines Fußballstadions soll helfen, bis zu 500 Lichtjahre entfernte Sonnensysteme zu erforschen. „In den kommenden Jahren entstehen bei uns auch mehr Jobs”, so Sprecher Lars Christensen in der Münchner Zentrale. Bislang wurde die Eso von 15 meist europäischen Mitgliedern betrieben. „Seit 2010 ist Brasilien dabei; drei weitere Länder sind im Gespräch. Es gibt also auch mehr Forschungsgelder.”

Kommunikationsgeschick wird verlangt

Als Gabriele Voigt sich nach dem Abitur für den Studiengang Biologie mit Schwerpunkt Genetik und Mikrobiologie in München entschied, hätte sie sich nicht träumen lassen, einmal als Safeguard-Expertin das Labor der UN-Atomenergie-Organisation IAEA (International Atomic Energy Agency) in Wien mit 180 Mitarbeitern zu leiten. Die IAEA kümmert sich um die friedliche Anwendung radioaktiver Stoffe und darum, eine militärische Nutzung verhindern zu helfen. Voigt sucht oft Naturwissenschaftler und Ingenieure, die als Inspektoren weltweit Umweltproben nehmen oder Analysen und Auswertungen im Labor vornehmen. „Wer bei uns anfängt, muss nicht in Harvard studiert haben”, sagt die 59-jährige Professorin. Unflexibel seien eher die Bewerbungsverfahren, die bis zu einem Jahr dauern. Doch: in den nächsten drei Jahren steht in der IAEA ein Generationswechsel an.

Qualifikation kommt vor Quote

Die Freude, sich in neue Themen einzuarbeiten, Interesse an anderen Kulturen, Kommunikationsgeschick und politisches Fingerspitzengefühl sind für die Arbeit bei der IAEA oder auch bei der „Organisation für das Verbot chemischer Waffen” (OPCW) in Den Haag das A und O. Eigenbrötlerische Genies haben keine Chance. Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei, früherer Chef der IAEA, schaffte akademische Titel in der IAEA komplett ab.

„Ich finde es faszinierend, in so einem internationalen Team und mit den Topexperten aus ganz Europa zusammenzuarbeiten”, sagt Florian Renk. Er hatte bereits als Student in Stuttgart die Möglichkeit, sich bei dem Satellitenprogramm SSETI (Student Space Exploration and Technology Initiative) mit 200 Studenten aus zwölf Ländern zu engagieren, das von der Esa unterstützt wurde. Für seine Diplomarbeit zum Thema „Magnetische Lageregelung von Mikrosatelliten” recherchierte er neun Monate lang in Sydney. Die anschließende Dissertation, eine „Untersuchung der erdnahen Librationspunkte zur Nutzung bei Explorationsmissionen”, erfolgte wiederum in Stuttgart. „Wenn man sich für eine Karriere in der Raumfahrt interessiert, sollte man sich ganz, ganz früh bei der Esa informieren und Praktikumsmöglichkeiten nutzen.” Für Hochschulabsolventen gibt es jedes Jahr ein Trainee-Programm. Auch Ingenieure mit vier bis fünf Jahren Berufserfahrung haben Chancen. Renk hatte Glück und konnte nach seiner Promotion direkt anfangen.

In der Regel ist das Aufspüren von „Vacancies” in internationalen Organisationen eine Sisyphusarbeit. Wer in diesen Kosmos eintritt, begegnet sonderbaren Abkürzungen, Formularen, Profilen sowie Organisationen, die jeweils auf ihrer eigenen Website die Jobs posten: Esa, Eso, Fao, Unep, Icao, Cern, OPCW oder CTBTO.

Um den Einstieg zu erleichtern, bieten die zentrale Arbeitsvermittlung BFIO und das Auswärtige Amt einen Service: Täglich durchforstet ein Mitarbeiter mit Metacrawlern alle relevanten Webseiten weltweit. Das Resultat findet sich komprimiert unter www.jobs-io.de . Die Suchmaschine hat es in sich. „Wir unterstützen Kandidaten bei ihrer Bewerbung”, sagt Julie Tumler von der BFIO. Arbeitsvermittlung und Auswärtiges Amt helfen checken, ob und wo es Chancen gibt, wie die richtige Botschaft im Anschreiben und im Lebenslauf sein muss. Ist die „Application” einmal unterwegs, wird verfolgt, ob sie punktgenau angekommen ist, gelesen wurde, wie es um den Bewerber steht. Ein „Tracking” wie beim Kurierdienst.

Das eigentliche Ziel aber ist: Lobbying. Die Auswärtige Amt will, wie andere Länder auch, möglichst viele Bewerber deutscher Staatsangehörigkeit ins Rennen schicken. Beispiel Cern: die Europäische Organisation für Kernforschung in Genf, die physikalische Grundlagenforschung betreibt, wird von 20 Ländern finanziert. Mit 144 Millionen Euro bestreitet die Bundesrepublik 20 Prozent des jährlichen Etats. „Das entspricht 450 Stellen, aber momentan haben wir nur 180 Mitarbeiter deutscher Staatsangehörigkeit”, sagt Rüdiger Voss, „und große Probleme, qualifizierte Ingenieure aus Deutschland anzuwerben.” Dennoch, so der leitende Wissenschaftler am Cern: „Die Stellen werden besetzt, etwa mit Ingenieuren aus südeuropäischen Ländern.” Und vor allem gelte die Regel: „Qualifikation kommt immer vor Quote.”

Weltweit arbeiten in europäischen Organisationen und UN 5676 Deutsche. Davon ist nur knapp jeder Sechste offiziell von der Bundesrepublik entsandt, hat also eine Jobgarantie mit Rückflugticket. Alle anderen reisen auf eigenes Risiko. Sie müssen sich mit Projekt- und Kurzzeitverträgen und der Arithmetik von Rotationen auseinandersetzen. Die meisten Stellen sind auf zwei oder maximal fünf Jahre befristet. Bei Esa und Eso etwa gibt es auch unbefristete Stellen.

Infos im Netz

Die Vergütung in internationalen Organisationen lässt sich bei fortschreitender Karriere meist nicht mit den Gehältern in der Industrie vergleichen. Trotzdem finden viele Hochschulabsolventen und sogenannte Mid-Careers das multikulturelle Flair, die hochkarätigen Forschungsprojekte, das besondere Arbeitsumfeld und das Prestige verlockend. Und viele wünschen sich nichts sehnlicher, als mit ihrer Bewerbung direkt in einem Ordner mit dem sperrigen Akronym „VQ” für „Very Qualified” zu landen. 

Esa Karriere-Seite

Gaia-Mission

Jobpool von ZAV und Auswärtigem Amt: www.jobs-io.de ; www.bfio.de

Carlo-Schmid-Programm des DAAD

European Commission Joint Research Centre

EU Jobportal

Beispiele einiger Organisationen: www.eso.org ; www.esa.int ; www.iaea.int ; www.opcw.org ; www.itu.int ; www.cern.ch ; www.fao.org ; www.zif-berlin.de