Die Gewerkschaft sieht bei Kaufhof und Karstadt eine große Unruhe aufziehen. Im Falle eines Zusammengehens der Warenhausketten will sich Verdi zunächst um eine Geschlossenheit der Arbeitnehmergremien bemühen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Sale bis zu 50 Prozent“ wirbt Galeria Kaufhof in diesen Tagen um Kunden. „Stark reduziert“ ist womöglich auch das Unternehmen selbst zu haben. Die österreichische Signa-Gruppe, Eigentümer von Karstadt, hofft darauf, dass die Übernahme des konkurrierenden Warenhauskonzerns diesmal endlich gelingen möge. Bis Ende Juli wollen Signa-Gesellschafter René Banko und die kanadische Kaufhof-Mutter Hudson’s Bay Company (HBC) die Optionen für ein Gemeinschaftsunternehmen abschließend geprüft haben.

 

Obwohl es noch „keine verbindliche Vereinbarung über den Verkauf oder die Zusammenlegung unseres europäischen Geschäfts“ gibt, wie es in einem Schreiben des Managements an die 18 000 Kaufhof-Mitarbeiter heißt, sind diese sehr verunsichert – gibt es doch bereits ein 200-seitiges Vertragswerk mitsamt Absichtserklärung. Die Gewerkschaft Verdi muss sich nun erst mal sortieren – genauer informiert wurde sie über den Deal bisher offenbar nicht. „Ich gehe nicht davon aus, dass die uns um Erlaubnis fragen“, flüchtet sich Bernhard Franke, der Landesfachbereichsleiter Handel, gegenüber unserer Zeitung in dezente Ironie. „Da dürfen wir uns auch nicht überschätzen.“ Eines will man bei Verdi auf keinen Fall: weitere Spekulationen in den Belegschaften schüren. „Niemand auf Arbeitnehmerseite schreit: Hurra, der Retter kommt! Alle machen sich viele Sorgen“, skizziert er die aktuelle Stimmung, um sogleich wieder zu beruhigen: „Wenn die Karstadt-Eigner Kaufhof übernehmen wollen, werden sie ihn nicht plattmachen, sondern nutzen wollen.“

Mit Kaufhof allein auf einem „ziemlich guten Weg“

Verdi wird durch die Fusionsbestrebungen brachial gebremst, stand die Gewerkschaft doch kurz vor einem Sanierungstarifvertrag für die kriselnde Kaufhof-Kette: „Wir waren auf einem ziemlich guten Weg“, sagt Franke, der Verdi-Verhandlungsführer in dem Konflikt ist und seit März 2017 im Kaufhof-Aufsichtsrat sitzt. „Das Management ist so in Not, dass die sich auf unsere Forderungen und Ideen eingelassen haben.“ Die Gespräche liegen auf Eis. Das weitere Vorgehen werde von den tatsächlichen Interessen der Kapitalseite abhängen. „Wir werden uns in jeder Konstellation für Beschäftigungssicherung, Standortsicherung und Tarifbindung einsetzen“, betont Franke. „Man wird aber wohl nicht nahtlos anknüpfen können, wenn sich die Rahmenbedingungen völlig verändert haben.“ Verdi muss die Betriebsräte von Karstadt und Kaufhof an einen Tisch bringen, um eine koordinierte Position zu entwerfen. „Wir werden auf jeden Fall die Initiative ergreifen, dass wir Gelegenheiten schaffen, um uns abzustimmen.“ Geschlossenheit soll verhindern, dass die Eigentümer die Belegschaften gegeneinander ausspielen.

Weniger Sorgen um Filialen in Baden-Württemberg

Besonders groß mögen die Befürchtungen sein, wo Karstadt und Kaufhof konkurrieren. „Doppelstandorte können ein Problem sein, müssen es aber nicht sein“, sagt Franke. „Da gibt es keinen Automatismus und keinen Grund, die Mitarbeiter nervös zu machen.“ Kaufhof betreibt 96 Häuser – Karstadt 82. An etwa 60 Standorten sollen beide Ketten vertreten sein. Allerdings gibt es heute auch schon viele Doppelstandorte allein bei Karstadt – oder in Heidelberg und Mannheim je zwei Kaufhöfe. Stuttgart hat mit Cannstatt sogar drei Kaufhof-Filialen.

Als wirklich defizitär werden Unternehmenskreisen zufolge insgesamt nur drei bis fünf Filialen infrage gestellt. Ob es dabei bleibt, ist unklar. Allein Kaufhof hat schon bis zu 15 Standorte, die besonders rote Zahlen schreiben und auf dem Prüfstand stehen. Längst wird auch die Beschäftigung reduziert: 2017 sind bei Kaufhof bundesweit mehr als 1000 Stellen abgebaut worden. Bei Karstadt wiederum wurden schon weit vorher schwächere Filialen dichtgemacht. Dort müsste man sich um die Häuser in Baden-Württemberg weniger sorgen.

„Bereitschaft zum Verzicht gering ausgeprägt“

Einsparpotenzial dürfte das vereinte Management ferner bei den Lohnkosten sehen: Bis zu 16 Prozent liegt der Karstadt-Haustarif unter den Kaufhof-Konditionen. Alle Mitarbeiter auf das niedrigere Niveau zu drücken, dürfte Verdi nicht akzeptieren. Ausgangsposition der Gewerkschaft könnte es vielmehr sein, dass das gemeinsame Konstrukt aufgrund der Synergieeffekte etwa bei Einkauf, Verwaltung, IT und Logistik so tragfähig wäre, dass überhaupt kein Arbeitnehmerbeitrag mehr erforderlich ist und alle 30 000 Beschäftigten wieder nach dem Flächentarifvertrag bezahlt werden.

Diesen Tarifvertrag abzustreifen, hatte sich die Kaufhof-Führung für die Sanierungsverhandlungen vorgenommen. Derweil ist „die Bereitschaft bei der Kaufhof-Belegschaft, Verzicht zu üben, weil die Manager nichts auf die Reihe kriegen, sehr gering ausgeprägt“, wie Verdi-Mann Franke sagt. Es gab zwar Kompromissbereitschaft und vielversprechende neue Ideen. Ob diese Phase aber anhält, muss sich erst zeigen.