Daimler und andere Lkw-Hersteller haben zwischen 1997 und 2011 ein Kartell zur Preisabsprache gebildet. Nun klagen immer mehr Kunden auf Schadenersatz, weil sie ihrer Ansicht nach zu viel für die Fahrzeuge bezahlt haben.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Auf die Lkw-Hersteller Daimler, Iveco, Volvo/Renault, DAF und MAN kommen immer mehr Klagen zu. Weil die Hersteller 14 Jahre lang ein Kartell zur Preisabsprache gebildet haben, verlangen immer mehr Unternehmen Schadenersatz für Lkw, für die sie nach eigener Darstellung zu viel bezahlt haben.

 

So hat am Mittwoch die Deutsche Bahn in Vertretung der Bundeswehr und rund 40 weiterer Firmen Klage gegen die Hersteller vor dem Münchner Landgericht eingereicht. Dabei geht es um 35 000 angeblich überteuerte Fahrzeuge. Die Schadenshöhe steht noch nicht fest.

An diesem Donnerstag will zudem der Speditionsverbund Elvis vor dem Stuttgarter Landgericht Klage gegen Daimler einreichen. Dabei geht es um 16 600 Lkw, deren Kaufpreis nach Ansicht von Elvis um bis zu 10 000 Euro pro Fahrzeug überteuert war. Dadurch sei einschließlich Zinsen ein Schaden von fast 180 Millionen Euro entstanden, teilte der Verbund mit.

Viele Unternehmen an Kartellklage beteiligt

Wie wir bereits berichtet haben, bereitet auch der Rechtsdienstleister Financialright Claims GmbH zusammen mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) eine Klage vor. Vertreten wird der Verband von der mächtigen US-Kanzlei Hausfeld, die in Deutschland in jüngster Zeit durch die Bündelung von Schadenersatzansprüchen deutscher VW-Kunden Schlagzeilen gemacht hat. An der Kartellklage seien bis zu 4000 Unternehmen beteiligt, die für bis zu 90 000 Fahrzeuge Schadenersatz verlangten, sagte Alex Petrasincu, Partner bei der deutschen Niederlassung der US-Kanzlei Hausfeld. Der Schadensbetrag liegt Schätzungen zufolge bei rund 500 Millionen Euro, dies ist aber noch kein endgültiger Wert.

In der ersten Klage bündelt Hausfeld die Ansprüche von Kunden, die vor 2002 ihre Fahrzeuge bei einem der genannten Hersteller gekauft oder geleast haben. „In diesen Fällen droht Ende des Jahres eine Verjährungsfrist abzulaufen“, sagt Petrasincu am Mittwoch. „Wir werden im nächsten Jahr eine weitere Klage für Financialright einreichen“, so der Kartellexperte“, so der Kartellexperte. „In der zweiten Phase können jene Unternehmen ihre Ansprüche geltend machen, die ihre Fahrzeuge in den Jahren nach 2003 gekauft oder geleast haben.

Insgesamt geht es um Lkw-Verkäufe zwischen 1997 bis 2011. Die EU-Kommission hatte gegen die Lkw-Bauer 2016 schon Geldbußen von knapp drei Milliarden Euro verhängt. Brüssel stellte zwar das Kartell fest, sagte aber nicht, dass diese Absprachen höhere Preise zur Folge hatten.

Prüfung der Klageschrift bei Daimler

Darauf pocht auch der Stuttgarter Daimler-Konzern: „Wir gehen davon aus, dass unseren Kunden kein Schaden entstanden ist“, sagte eine Daimler-Sprecherin. Die Klage des Speditionsverbunds Elvis liege dem Konzern noch nicht vor: „Wir werden die Klageschrift sorgfältig prüfen und uns gegen unberechtigte Ansprüche entschieden zur Wehr setzen“, so die Sprecherin.

Die Klagen folgen alle einem Modell: In allen drei Fällen haben eine Vielzahl von Unternehmen ihre Ansprüche abgetreten. Dadurch wollen die Kläger, die allein kaum eine Chance auf Schadenersatz hätten, ihre Kräfte bündeln und das Prozessrisiko minimieren. Die Kosten tragen Prozessfinanzierer. Im Fall Hausfeld ist das Burford Capital, ein Schwergewicht in der Branche.

Der Speditionsverbund Elvis hat zu diesem Zweck eigens eine Gesellschaft gegründet: die Themis Schaden GmbH. An diese Gesellschaft haben insgesamt 310 kleine und mittelständische Transportunternehmen ihre Ansprüche abgetreten. „Durch das über viele Jahre bestehende Kartell der großen Hersteller wurden viele kleine Unternehmen massiv geschädigt“, sagte Jochen Eschborn, Vorstandsvorsitzender der Elvis AG. „Das ist unerträglich.“ Vor diesem Hintergrund habe der Verbund eine Möglichkeit für seine Kooperationsmitglieder geschaffen, sich gerichtlich gegen die unlauteren Praktiken der Hersteller zur Wehr zu setzen. Die Bündelung der Ansprüche erlaube es, diese in einer einzigen Klage vor Gericht zu bringen.

Klägerposition gestärkt

Vertreten wird der Verbund von dem Juristen Moritz Lorenz, der die Kartellrechtspraxis der Frankfurter Kanzlei Arnecke Sibeth leitet. Die Kosten übernimmt ebenfalls ein Prozessfinanzierer, der im Erfolgsfall an den Erlösen beteiligt wird.

Wie wir berichtet haben, könnten die Kartellopfer nicht nur von der noch nicht weit verbreiteten Prozessstrategie profitieren. Auch eine im Sommer in Kraft getretene Novelle des Kartellgesetzes stärkt nach Ansicht von Juristen die Klägerposition. Demnach wurden nicht nur die Verjährungsfristen verlängert, sondern auch ein Anspruch des Klägers auf Herausgabe von Beweismitteln und Erteilung von Auskünften geschaffen. Zudem unterstellt das Gesetz jetzt ausdrücklich, dass ein Kartell zu Schäden führt. Es ist Sache der Beklagten, das Gegenteil zu beweisen.