Der Katar-Protest von 15 Fans während des Länderspiels gegen Italien zog eine vom DFB initiierte Polizeikontrolle nach sich. Warum war das so?

Sport: Marco Seliger (sem)

Der ZDF-Kommentator hatte bei seiner Live-Übertragung eine klare Meinung. „Eine deutliche, eine wahre Botschaft. Und es ist gut, dass sie hier ihren Platz hat“ sagte Oliver Schmidt und las die Botschaft gleich mit vor: „15 000 Tote für große Kulissen – Fifa & Co. ohne Gewissen.“ Fans hatten das Banner, das gegen den WM-Gastgeber Katar und den Weltverband gerichtet war, kurz nach dem Anpfiff des Nations-League-Spiels der DFB-Elf gegen Italien im Mönchengladbacher Borussia-Park hochgehalten.

 

Der DFB fand die Sache erst mal nicht so gut. Polizeibeamte setzten die Personen fest und nahmen ihre Personalien auf – weil der Verband auf die Polizei zugegangen war. Das erklärte ein Polizeisprecher später dem „Deutschlandfunk“.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Sorgenkind Timo Werner schießt sich aus der Krise

Der DFB also lässt Katar-kritische Anhänger kontrollieren – jener DFB also, der zuletzt unter anderem einen Workshop mit seinen Nationalspielern abhielt, um sie für das heikle Thema „WM in Katar“ und den Umgang damit zu sensibilisieren. Es gab folglich einige Kritik und Unverständnis in der weiten Welt der sozialen Medien.

Keine gültigen Tickets?

Die Fans mit dem Banner jedenfalls hatten nach ihrem Protest zügig das Stadion verlassen – was beim DFB Polizeiangaben zufolge zur Annahme geführt habe, dass sich die 15-köpfige Gruppe möglicherweise ohne Eintrittskarten oder mit Tickets für den falschen Block Zugang verschafft hätte und anderen Fans mit gültigen Tickets für diesen Bereich die Plätze möglicherweise hätte wegnehmen können. „Es bestand zunächst der Verdacht, gegen das Hausrecht verstoßen zu haben“, sagte der Polizeisprecher weiter. Doch diesen Verdacht konnten die Personen bei der Kontrolle ausräumen: Sie hatten allesamt gültige Tickets fürs Spiel.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Was das 5:2 gegen Italien für die WM-Saison bedeutet

Nach ihrer klaren Kritik an der Vergabe der WM 2022 an Katar, das sich seit Jahren dem Vorwurf massiver Menschenrechtsverletzungen und miserabler Bedingungen für Arbeitsmigranten gegenübersieht, müssen die Anhänger nun keine weiteren Konsequenzen fürchten. „Die ersten Ermittlungen geschahen ausdrücklich nicht zur Strafverfolgung, das Zeigen des Plakats ist durch die freie Meinungsäußerung gedeckt“, sagte der Polizeisprecher weiter.

Die Polizei erklärte schließlich in einer Mitteilung: „Bei einer anschließenden Rücksprache teilte der DFB der Polizei Mönchengladbach mit, dass seitens des DFB keine straf- und verbandsrechtlichen Schritte eingeleitet werden und auf eine Übermittlung der Personalien verzichtet wird. Auch seitens der Polizei Mönchengladbach folgen keine weiteren Maßnahmen.“

Untypisches Verhalten?

Am Mittwochmittag dann lieferte der DFB eine Erklärung für den Polizeieinsatz. Nach dem Zeigen des Banners habe sich eine Personengruppe sehr schnell aus dem Zuschauerbereich bewegt, sich aber weiter im Stadionumfeld aufgehalten, hieß es in einer Mitteilung: „Aufgrund dieses untypischen Verhaltens und aus Sorge um die Sicherheit der Veranstaltung informierte der DFB die Polizei.“

Später habe sich herausgestellt, dass „von der Aktion aber keinerlei Gefahr“ ausging. „Es ist uns ein Anliegen zu betonen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Diese einzuschränken war und ist nicht im Interesse des DFB“, hieß es vom Verband. Auch deshalb habe der DFB im Zuge des DFB-Pokalfinals am 21. Mai in Berlin „sowohl angemeldete DFB-kritische als auch WM-kritische Banner genehmigt“.

Klare Ansage

„Darüber hinaus: Insbesondere die Frage um die Austragung und Vergabe der WM 2022 in Katar, die Bedingungen für Arbeiter vor Ort, die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit und die Situation für die LSBTIQ+ Gemeinschaft bedarf eines kritischen Diskurses“, war in der Stellungnahme weiter zu lesen: „Hierzu trägt deutsche Fankultur in erheblichem Maße bei, was wir ausdrücklich begrüßen.“