Katar hat nicht nur die Fußball-WM ausgerichtet, sondern zuvor bereits zahlreiche Weltmeisterschaften in anderen Sportarten. Ziel der Strategie ist eine weitere Olympia-Bewerbung – es wäre die dritte. Doch die Konkurrenz für 2036 ist groß. Womöglich mischt auch Deutschland mit.

Es soll sportbegeisterte Menschen geben, die Überlegungen, Berlin könnte sich als Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2036 bewerben, für ziemlich daneben halten. Weil Deutschland, 100 Jahre nach den Propaganda-Spielen der Nationalsozialisten, Demut gut zu Gesicht stünde.

 

Eine gute Gelegenheit

Andere sehen dies ganz anders. Und meinen, es lasse sich keine bessere Gelegenheit finden, um zu zeigen, zu welchem weltoffenen, friedlichen, demokratischen Land man sich entwickelt habe. Thomas Bach? Freut sich schon darüber, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zuletzt überhaupt mal wieder den grundsätzlichen Willen bekundet hat, das größte Sportereignis der Welt auszurichten. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich es mir sehr, sehr wünschen würde, noch einmal Olympische Spiele in meinem Heimatland zu erleben“, sagte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bei einem Besuch in Stuttgart gegenüber unserer Zeitung, „wenn sich der DOSB mit neuem Elan in die internationale Sportwelt einbringt, wird das nicht nur von mir begrüßt. Schließlich war der DOSB über Jahre hinweg vollkommen isoliert und hat keine Rolle mehr gespielt. Dabei ist Deutschland als Organisator großer Sportveranstaltungen hochanerkannt.“

Über die etwaigen Chancen einer schwarz-rot-goldenen Bewerbung sagen diese Sätze allerdings nichts aus. Im Gegenteil. Denn fest steht bereits, dass die Konkurrenz groß wäre. Und dass eine Stadt in den vergangenen vier Wochen die Chance genutzt hat, als Ausrichter der Fußball-WM ihr enormes organisatorisches Potenzial zu zeigen. Gibt es folglich bald die ersten Olympischen Wüsten-Spiele?

Beworben hat sich Katar bereits zweimal für das Ringe-Spektakel, erst für die Austragung 2016, dann noch einmal für 2020. In beiden Fällen schied Doha bereits in der Vorrunde aus, was weniger mit der Menschenrechtslage, dem Umgang mit Arbeitsmigranten oder Korruptionsvorwürfen zu tun hatte als vielmehr mit dem Termin: Olympische Spiele in Doha könnten wegen der enormen Hitze mit Temperaturen jenseits der 45 Grad nicht wie gewohnt Ende Juli/Anfang August stattfinden, sondern müssten in den Herbst verschoben werden – was den Wettkampfkalender vieler Sportarten durcheinanderwirbeln würde.

Unwichtig wie heiße Luft

Aus Sicht der Katarer sind die äußeren Bedingungen übrigens kein Problem: Die Fußball-WM fand in heruntergekühlten Arenen statt, für Olympische Spiele sollen sie sogar eine komplett klimatisierte Marathonstrecke in Aussicht stellen. Energiekosten sind in dem schwerreichen Land, dem das größte Gasfeld weltweit gehört, bekanntlich so unwichtig wie heiße Luft. Weshalb die Aussage von Hassan al-Thawadi ernst genommen werden sollte. „Wir haben unseren Willen und unsere Motivation gezeigt, Sommerspiele auszurichten“, sagte der Chef der Fußball-WM, „ich denke, es liegt auf der Hand.“ Was nur zeigt: An Selbstbewusstsein fehlt es in Katar ebenso wenig wie an Geld. Und die passenden Verbindungen gibt es auch.

Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani ist schon seit 2002 Mitglied im IOC, dank seiner sportpolitischen Strategie ist der Wüstenstaat in viele Verbände hinein bestens vernetzt – nach der Handball-WM 2015, der Rad-WM 2016, der Turn-WM 2018 und der Leichtathletik-WM 2019 richtet Doha nun noch die Schwimm-WM 2024 und die Tischtennis-WM 2025 aus – was für ein olympisches Potpourri! Dazu kommen die Formel 1, lukrative Turniere im Tennis und Golf sowie die Asien-Spiele 2030. Dieses kontinentale Megaevent hatte zuletzt 2018 in Jakarta/Indonesien mit rund 12 500 Teilnehmern und 468 Entscheidungen größere Dimensionen als Olympische Sommerspiele. Nasser al-Khatar, der Geschäftsführer des am Sonntag zu Ende gegangenen Kicker-Turniers, versprach jedenfalls, dass Katar am Ball bleibt. „Wir sind ein regionales Kraftzentrum im Sport“, sagte er voller Überzeugung, „und das werden wir auch künftig sein.“ Die olympischen Regularien könnten dabei helfen.

Das IOC will in Zukunft nur noch nachhaltige Spiele haben, zählt dazu aber auch temporäre Sportstätten – Arenen können also, wenn wie jetzt bei der Fußball-WM Kosten keine Rolle spielen, auf- und wieder abgebaut werden. Bleibt die Frage nach der Konkurrenz. Vergeben sind die Sommerspiele 2024 (Paris), 2028 (Los Angeles) und 2032 (Brisbane). Wie Thomas Bach gegenüber unserer Zeitung erklärte, gebe es für 2036 und 2040 bereits jetzt „eine zweistellige Anzahl“ interessierter Städte. Weil Asien dann wieder dran sein könnte, gehören neben Katar auch China, Indien, Südkorea und Indonesien zu den potenziellen Bewerbern. Deutschland? Muss sich auch aus diesem Grund gut überlegen, ob Berlin 2036 tatsächlich eine gute Idee wäre. Thomas Bach scheidet als Ratgeber aus. „Ich werde mich in diese kontroverse Diskussion nicht einmischen“, sagte der IOC-Präsident, „da habe ich vollstes Vertrauen in die neu gewählte Führung des DOSB.“