In Polen ist sie bereits bestens im Thrillergeschäft, nun hat sie den Weg in die Regale deutscher Buchhändler gefunden. Zum Glück: Katarzyna Bondas „Das Mädchen aus dem Norden“ ist vorzügliche Krimikost.
Danzig - Alles soll besser werden, als die Profilerin Sasza Zaluska nach mehreren Jahren im Ausland nach Danzig zurückkehrt. Auf sie wartet ein geruhsames Leben mit einem Job bei einer Bank und ihrer kleinen Tochter an ihrer Seite. Ruhe hat Sasza Zaluska bitter nötig: Eine verdeckte Ermittlung in Polizeidiensten endete in einer Katastrophe, Sasza ist traumatisiert und von Brandnarben gezeichnet.
Doch kaum ist sie in ihrer neuen, alten Heimat angekommen, erreicht sie ein dubioser Anruf. Es winkt ein lukrativer Auftrag: Der Besitzer eines populären Musikclubs fühlt sich bedroht und erpresst, er bietet Sasza Saluska viel Geld dafür, den vermeintlichen Erpresser zu enttarnen. Doch dann wird auf den Club ein Anschlag verübt, ein Mensch stirbt. Die Profilerin ermittelt. Aber nicht nur sie.
So viel steht im Klappentext zum Thriller „Das Mädchen aus dem Norden“, den die polnische Autorin Katarzyna Bonda 2014 in ihrer Heimat veröffentlicht hat und der jetzt im Heyne Verlag erschienen ist – doch die knappe Inhaltsangabe wird dem Gangsterepos kaum gerecht. Bonda spannt über zwei Jahrzehnte hinweg eine bildgewaltige Geschichte von Liebe, Gewalt, Geheimnis und Verrat.
Gangsterbosse werden zu Oligarchen
Es beginnt in den Jahren nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, als sich in den rechtsfreien Räumen sinistre Gestalten einnisten, unter deren kriminellem Gebaren die Ehrlichen kaum eine Chance haben und die Grenzen zwischen Recht und Unrecht vor allem nach Kriterien des wirtschaftlichen Überlebens gezogen worden. 20 Jahre später sind aus Gangsterbossen Oligarchen geworden, die polnische Mafia hat sich festgefressen in der Elite des Landes. Weniger brutal und kriminell geht es deshalb nicht zu, wie Sasza Zaluska bald erfahren muss.
Katarzyna Bonda bettet ihre Geschichte ein in eine erfrischend unverbrauchte Szenerie und zeichnet zugleich ein schroffes Bild der modernen polnischen Gesellschaft. Der bigotte Katholizismus, der schwangere Mädchen lieber sterben lässt als an seinen Grundüberzeugungen zu rütteln, ist ebenso allgegenwärtig wie die hemmungslos materialistische Gier der postkommunistischen Ära – und der Wodka, mit dem sich das alles ertragen lässt. In diesen Passagen bekommt Bondas Thriller die Qualität von Peter Hoegs „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, der ja letztlich auch mehr Sittengemälde als Krimi war.
Auch wenn dem aufmerksamen und krimierfahrenen Leser die Lösung des Falles relativ schnell klar ist, wird er den dicken Schmöker nur selten aus der Hand legen. Routiniert arbeitet Bonda mit Szenenwechseln und Cliffhangern. Schade nur, dass die tragischen Verschlingungen zum Ende des Buches hin allzu kompliziert werden und melodramatische Züge annehmen.
Katarzyna Bonda: „Das Mädchen aus dem Norden“. Aus dem Polnischen von Paulina Schulz. Heyne Verlag München 2017. 656 Seiten, 16,99 Euro. Auch als E-Book, 13,99 Euro, und als Hörbuch, 12,95 Euro.