Die ökologische Katastrophe an der Jagst ist längst noch nicht aufgearbeitet. Polizei und Staatsanwalt ermitteln noch. Jetzt sind die mutmaßlichen Kosten bekannt.

Heilbronn - Viel Wasser ist seit dem verheerenden Brand in der Lobenhausener Mühle bei Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) im August vergangenen Jahres die Jagst heruntergeflossen. Den Menschen, die hier leben, ist die ökologische Katastrophe so präsent wie damals. Wie stark der naturnahe Fluss durch das mit Düngemittel kontaminierte Löschwasser tatsächlich geschädigt wurde, wird Experten zufolge erst in Jahren feststehen. Im Fokus steht jetzt die Frage, warum es überhaupt zu der Umweltkatastrophe kommen konnte und ob sie anderswo ebenso drohen könnte. Auf Anordnung von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ermitteln die Regierungspräsidien bis Ende März landesweit vergleichbare Düngemittellager. „Wir gehen derzeit davon aus, dass wir die hierbei gewonnenen Erkenntnisse bei der Überarbeitung von bundesweiten Regeln zur Löschwasserrückhaltung einbringen können“, sagt ein Sprecher. Strengere Vorschriften also.

 

Seit mehr als vier Monaten ermitteln Sachverständige die Brandursache. Wurde das Feuer absichtlich gelegt oder fahrlässig verursacht? Warum konnte die Giftbrühe aus dem Löschwasserrückhaltebecken der Lobenhausener Mühle entweichen? Wer ist verantwortlich für das Fischsterben? „Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen“, wehrt Armin Burger von der Staatsanwaltschaft Ellwangen erneut die Nachfrage der Stuttgarter Zeitung ab. Zwei Gutachten seien in Auftrag gegeben worden, deren Ergebnisse noch nicht vorliegen. Zur Frage, wer strafrechtlich für die Gewässerverunreinigung haftbar ist, sagt er: „Im Rahmen der Ermittlungen wird der gesamte Hergang überprüft und ob Verantwortlichkeiten verletzt worden sind.“ Bislang richteten sich die Ermittlungen gegen die Betreiber der Mühle. „Gesamter Hergang“ und „bislang“: die Worte des Staatsanwalts lassen Raum für Spekulationen.

Genährt werden diese durch die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Friedrich Bullinger im vergangenen Jahr. Der zufolge wurde eine Baugenehmigung für ein Mineraldüngelager an der Lobenhausener Mühle überhaupt nicht erteilt, „es handelt sich insoweit um eine illegale Lagerung“. Die neu errichtete Lagerhalle sollte den Unterlagen zufolge „der Einlagerung von Saatgetreide, Einzel- und Mischfuttermittel dienen“. Das Landratsamt Schwäbisch Hall habe die Bauabnahme angeordnet, diese „ist aber nicht erfolgt, weil noch keine Fertigstellungsanzeige des Bauherrn vorlag“. Auf gut Deutsch: bis zu dem Brand hat trotz Baumaßnahmen offenbar niemand kontrolliert, was rund um die Lobenhausener Mühle im Landschaftsschutzgebiet Jagsttal tatsächlich gelagert war. Sind demzufolge sowohl die Betreiber der Mühle als auch die untere Baurechtsbehörde – das Landratsamt Hall – ihrer Verantwortung nicht nachgekommen und so möglicherweise für die entstandenen Kosten haftbar?

Die Kosten belaufen sich auf mindestens 3,3 Millionen Euro

Diese sind hoch. Die Entsorgung verendeter Fische und kontaminierten Löschwassers, Material- und Personalkosten sowie die Verpflegung der Helfer schlagen zu Buche. Noch haben nicht alle ihre Forderungen eingereicht. Dem Landkreis Hall, der, von der Giftwelle überrollt, vergleichsweise wenig Gegenmaßnahmen ergriffen hat, wurden den Angaben zufolge bisher Kosten in Höhe von rund 181 000 Euro in Rechnung gestellt; rund 72 000 Euro seien ausbezahlt worden, die offenen Rechnungen würden derzeit geprüft. Der Hohenlohekreis hat den Angaben zufolge den Helfern für ihren Einsatz in seinem Jagstabschnitt bisher rund 800 000 Euro ausbezahlt. Im Landkreis Heilbronn belaufen sich die Kosten auf 990 000 Euro. Die Abrechnungen des Technischen Hilfswerks in Höhe von rund 700 000 bis 750 000 Euro für den Einsatz in allen Landkreisen stehen noch aus. Die Fischhegegemeinschaft Jagst hat ihrerseits einen Anwalt beauftragt, der für rund 20 Tonnen verendeter Fische und den Einsatz der Fischer rund 650 000 Euro geltend macht: „Und das ist keine übertriebene Zahl“, versichert deren Sprecher Markus Hannemann. Auch die Wiederbesetzung mit Fischen im besonders geschädigten oberen Flussabschnitt, die in diesem Sommer ansteht, werde nicht umsonst zu haben sein.

Summa summarum ist also bisher bereits ein Schaden von mindestens 3,3 Millionen Euro entstanden. Nach Prüfung und Bewertung der Kosten durch die Landratsämter werden diese vom Regierungspräsidium Stuttgart abermals geprüft und bewertet. Selbst wenn die Ermittler jemanden strafrechtlich für die Umweltkatastrophe haftbar machen können: letztlich hat das Umweltministerium – sprich, das Land Baden-Württemberg – für den materiellen Schaden an der Jagst aufzukommen. Die Zeche übernimmt also wie immer der Steuerzahler.