Stuttgarter Archive, Museen und Bibliotheken wollen sich bei Katastrophen gegenseitig helfen. Bei Hochwasser, Bränden, Erdbeben oder anderen Notfällen sollen so einmalige Kulturgüter vor Schaden bewahrt und gerettet werden.

Stuttgart - Abergläubisch dürfen sie nicht sein, die Beteiligten des am Mittwoch offiziell besiegelten Notfallverbundes für Stuttgart. Die Vertreter von insgesamt 13 Institutionen – zwölf Archive, Bibliotheken und Museen sowie die Berufsfeuerwehr der Landeshauptstadt – haben im Alten Schloss ihre Zusammenarbeit im Fall von Katastrophen vereinbart. Durch diese sollen bei Hochwasser, Bränden, Erdbeben oder anderen Notfällen einmalige Kulturgüter vor Schaden bewahrt und gerettet werden.

 

Nach Weimar, Hannover, Dresden, Karlsruhe und Frankfurt am Main ist Stuttgart die nächste Stadt, die sich mit einem Notfallverbund dafür wappnet, im Katastrophenfall schnell und gezielt reagieren zu können. Dafür werden, wie Anja Dauschek, die Leiterin des Stadtmuseums, erläuterte, in jeder der beteiligten Institutionen individuelle Notfallpläne erstellt. Diese sehen je nach Katastrophe stets anders aus, denn auf einen Wassereinbruch müsse man anders reagieren als auf einen Brand, erläuterte Cornelia Ewigleben, die Direktorin des Württembergischen Landemuseums. Die einzelnen Notfallpläne regeln, welche Kulturgüter im Katastrophenfall wie gerettet werden sollen. Und auch, wie die Einsatzkräfte abgesichert sind, wenn es bei der Bergung zu Schäden an den Kulturgütern kommt.

„Die richtige Arbeit kommt aber erst jetzt auf uns zu“

Drei Jahre lang hat Markus Speidel vom Stadtmuseum mit Carola Richter vom Landesmuseum Württemberg an der Vorbereitung und Ausgestaltung des Notfallverbundes gearbeitet. Bis zu zehn Prozent seiner Arbeitszeit hat Speidel nach eigener Einschätzung für das Projekt aufgewendet. Zusätzliches Geld oder Personal gab es für die Entwicklung des Verbundes nicht.

„Die richtige Arbeit kommt aber erst jetzt auf uns zu“, sagt Anja Dauschek. Nachdem die 13 Partner die Vereinbarung unterzeichnet haben, müssten nun die Vorkehrungen für den hoffentlich nie eintretenden Tag X getroffen werden. „Das Paradoxe ist: wir arbeiten auf einen Zeitpunkt hin, der hoffentlich nie kommen wird.“

Nach dem Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar ist dort der bundesweit erste Notfallverbund zwischen Bibliotheken gegründet worden. In anderen Städten haben sich, wie jetzt in Stuttgart, auch Archive und Museen dazu verpflichtet, den anderen Einrichtungen zur Seite zu stehen. Sei es bei der Bergung und Zwischenlagerung von Kulturgütern oder bei zwingend notwendigen restauratorischen Sofortmaßnahmen.

Was soll im Notfall zuerst gerettet werden?

„Wir haben nicht auf die Katastrophe gewartet, sondern hoffen, dass wir nun für solche Fälle gut gerüstet sind“, hob Dauschek die Bedeutung der Kooperation hervor. Dies gilt auch im Blick auf die aktuelle Hochwasserkatastrophe in vielen Gebieten Deutschlands. „Kein einzelnes Haus ist schließlich im Katastrophenfall in der Lage, sich allein zu helfen“, ist Ewigleben überzeugt. Das weiß auch Hannsjörg Kowark, der Direktor der Württembergischen Landesbibliothek. Zuletzt war die Einrichtung laut Kowark 1972 von einem Wassereinbruch betroffen – mit hohem Schaden.

Sebastian Fischer von der Brandschutzdirektion begrüßt die Gründung des Notfallverbundes. Die Menschenrettung stehe auch in Kultureinrichtungen stets an erster Stelle, „aber auch einmalige Kulturgüter sollen Katastrophen überstehen“, sagte Fischer. Durch Schulungen sollen Feuerwehrleute dafür sensibilisiert werden, wie sie im Katastrophenfall mit solch wertvollen Kulturgütern umgehen müssen. Sebastian Fischer befürchtet, dass es künftig nach extrem starken Regenfällen zu noch mehr Hochwasser und Überflutungen als seither kommt.

Die Institutionen müssen nun Prioritätslisten erstellen, was im Notfall zuerst gerettet werden soll. Eine solche Entscheidung könne schließlich kein Helfer spontan vor Ort treffen, sind sich die für die Kultureinrichtungen Verantwortlichen einig. In Zusammenarbeit mit der Feuerwehr sollen zudem neue Hilfsmittel zur Sicherung der Kulturgüter entwickelt werden.