Künftig könnte es eine katholische Großgemeinde auf den Fildern geben. Ist dann ein Pfarrer zu viel?

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Der Priester ist verunsichert. An Weihnachten sei er von vielen Leuten gefragt worden, wie es ihm denn gehe. Gut, hat Roland Rossnagel stets geantwortet. „Aber ich weiß nicht, ob ich nächstes Jahr noch hier bin.“ Der 58-jährige Geistliche aus Sillenbuch spielt verschiedene Szenarien im Kopf durch. Szenarien, zu denen es kommen könnte, wenn es künftig auf den Fildern eine Großgemeinde geben sollte. „Dann ist ja einer zu viel“, sagt Rossnagel. Er oder Alois Schenk-Ziegler, sein Kollege aus Plieningen und Degerloch.

 

Wie berichtet, könnte es sein, dass die katholischen Gemeinden in Hohenheim, Degerloch, Sillenbuch und Heumaden zu einer werden. Das würde dann passieren, wenn sich die beiden Kirchengemeinden in Kemnat und Ruit entschließen, dass sie sich aus der Seelsorgeeinheit mit Sillenbuch und Heumaden lösen. Zu dieser Riesengemeinde würden – Stand heute – rund 14 000 Leute gehören.

Der Plieninger Priester will nicht spekulieren

Anders als Roland Rossnagel macht sich Schenk-Ziegler derzeit keine Gedanken darüber, was eine Gemeindefusion mit sich bringen würde, also dass er oder sein Sillenbucher Kollege vielleicht versetzt werden könnten. „An Spekulationen beteilige ich mich nicht“, sagt er. Der ebenfalls 58-jährige Priester will lieber warten, bis die Pläne des katholischen Stadtdekanats konkreter sind. Entscheidungen werden dieses Jahr erwartet.

Alois Schenk-Ziegler ist seit 16 Jahren in Hohenheim Pfarrer, später kamen die Katholiken in Degerloch zu seinem Aufgabengebiet. „Da bleibt viel Zeit auf der Straße“, sagt er. „Es kann sein, dass ich dreimal am Tag nach Degerloch fahren muss“, Alois Schenk-Ziegler lebt in Plieningen. „Von den einzelnen Gemeinden bekommt man nur noch wenig mit“, sagt er. Angesichts dieser Erfahrungen wäre er wohl eher unglücklich darüber, wenn es in Zukunft nur noch einen Priester in den Stadtbezirken Birkach, Plieningen, Degerloch und Sillenbuch geben sollte. „Es ist ja schon relativ aufwendig und komplex, zwei Gemeinden zu koordinieren.“ Nicht auszumalen, wie es mit einer Riesengemeinde wäre.

Das sieht Roland Rossnagel anders. Aus seiner Sicht wäre es möglich, dass ein Priester 14 000 Gläubigen gegenübersteht. „Es ist natürlich eine Herausforderung für die einzelnen Gemeinden vor Ort“, sagt er. „Aber der Glaube hängt ja nicht am Pfarrer.“ Er kann sich gut vorstellen, dass die Kirchengemeinde in der Zukunft mehr von den Menschen getragen wird, dass der Priester mehr und mehr in den Hintergrund rückt. Rücken muss.

Soll er sich aufs Bleiben oder Gehen einstellen?

Obwohl er die Sache so einschätzt, bleibt Rossnagels Sorge im Hinblick auf seine persönliche Zukunft. Nicht, dass er fürchtet, keinen Job mehr zu finden. In Zeiten akuten Priestermangels dürfte dies ausgeschlossen sein. Was dem Pfarrer Kopfzerbrechen bereitet: Er ist erst seit anderthalb Jahren in Sillenbuch. Sprich, er ist immer noch damit beschäftigt, die Menschen in der Gemeinde kennenzulernen, sich an alles zu gewöhnen. In dieser Situation nicht zu wissen, wie es weitergeht, mache es ziemlich schwer. Er weiß einfach nicht, ob er sich besser aufs Bleiben oder Gehen einstellen soll.

Darauf hat das katholische Stadtdekanat derzeit keine Antwort. „Etwas Genaues kann man noch nicht sagen, weil wir uns im Beratungsprozess befinden“, sagt die Sprecherin Veronika Pohl. „Wir müssen abwarten.“ Klar sei nur: „Es hat niemand etwas in der Schublade.“ Das Stadtdekanat wisse genauso wenig wie die Kirchengemeinden, wie das Ergebnis der Beratungen ausfalle. Erste Entscheidungen zur Zukunft der katholischen Gemeinden sollen nächsten Herbst fallen.