Stadtdekan Christian Hermes steht voll hinter der Segnung für gleichgeschlechtliche Paare, zieht aber eine klare Trennlinie zum Sakrament der Ehe: „Wer das alles undifferenziert zusammenrührt, arbeitet denen zu, die alles verbieten wollen.“

Stuttgart - In der Leonhardskirche in der Innenstadt hat ein Stuttgarter Homo-Paar den Anfang gemacht. Es wurde 2020 vom evangelischen Pfarrer Christoph Doll gesegnet. Alles war bei diesem Gottesdienst so, als träte ein Hetero-Paar zur Hochzeit vor den Altar. In der evangelischen Landeskirche ist dieser Ritus eine Rarität. Nach Angaben der Landeskirche boten zu dem Zeitpunkt der „Vermählung“ 23 der rund 1300 württembergischen Gemeinden Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare an.

 

Bis allerdings ein Paar in einem „öffentlichen Segnungsgottesdienst anlässlich der Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare“ (offizielle Lesart) vor den Altar treten darf, müssen etliche Bedingungen erfüllt sein: Die jeweilige Gemeinde braucht das Okay des Oberkirchenrats, der Kirchengemeinderat muss sich mit einer Dreiviertelmehrheit für die Segnung aussprechen, und alle Pfarrer einer Gemeinde müssen ihr Plazet geben. Zuletzt müssen auch die Gemeindeglieder durch Veranstaltungen über die Pläne informiert werden.

Seit vergangenem Montag eifern viele katholische Gemeinden in Deutschland diesem Vorbild nach. Allerdings geht es bei der Aktion unter dem Motto #liebegewinnt eher um einen symbolischen Fingerzeig gegen das päpstliche Verbot gleichgeschlechtlicher Paare. Mitte März hatte die Römische Glaubenskongregation klargestellt, die katholische Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen. Diese Verbindungen entsprächen nicht dem göttlichen Willen, wie er in der Bibel zum Ausdruck komme.

Keine heimlichen Trauungen

In Stuttgart soll es solche Segnungen auch geben. Allerdings bisher im halboffiziellen Raum. Eine Art Hochzeit wie bei den Protestanten scheint bei den Katholiken vollkommen unmöglich. Auch dem katholischen Stadtdekan Christian Hermes ist „nicht bekannt, dass in Stuttgart offen oder verborgen Quasi-Trauungen von Menschen gleichen Geschlechts durch pastorale Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der katholischen Kirche durchgeführt werden oder durchgeführt worden sind“. Er ist sich zudem sicher, dass das auch nicht im Geheimen geschehen sei.

Allerdings: „Die Wortmeldungen von vielen, die sich für die Möglichkeit von Segensfeiern aussprechen, auch von mir, legen ja im Gegenteil Wert darauf, dass es gerade nicht um eine Trauung oder Quasi-Trauung gehen soll, sondern um eine Segensfeier. Die halten wir, klar von der Trauung unterschieden, aber für möglich, richtig und angemessen auch für andere mit ethischer Verbindlichkeit wie Treue, Dauer, Achtung, Verantwortung füreinander gelebte Beziehungen. Darum geht der Streit.“

Hermes stellt zudem klar: „Die Ehe ist dogmatisch sehr klar definiert als ausschließliche und unauflösliche Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau bis zum Tod. Rechtlich und auch in der Form der Feier ist der Ehekonsens wesentlich.“

Er meint damit die berühmte Frage: „Sind Sie hierhergekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss den Bund der Ehe einzugehen?“ Daher könne das Sakrament selbst nicht der Pfarrer spenden, sondern der Mann und die Frau sich gegenseitig, indem sie sich das Trauversprechen geben.

Hermes warnt vor „undifferenziertem Zusammenrühren“

In diesem Sinne würde Hermes Gottesdienste als „Quasi-Hochzeiten“ nach evangelischem Vorbild in seinem Sprengel nicht tolerieren: „Das würde ich nicht gut und auch nicht angemessen finden. Noch einmal: Ich trete für Segensfeiern ein, weil es sich definitiv nicht um eine kirchliche Eheschließung handelt und handeln kann. Wer das alles undifferenziert zusammenrührt, arbeitet denen zu, die alles verbieten wollen.“ Wenn sich ein Pfarrer dieser Haltung widersetzen würde, müsste auch der Stadtdekan einschreiten. „Da es keiner tut und keiner beabsichtigt, den ich kenne, stellt sich die Frage derzeit nicht“, sagt er, „eine kirchlich gültige Ehe käme dabei nicht zustande. Und ansonsten würde es natürlich disziplinarische Folgen haben. Segnung ist ja eines, aber die Simulation eines Sakramentes wäre auch dienstrechtlich eine andere Nummer.“

Da nicht nur in der römisch-katholischen Kirche derzeit viel in Bewegung ist, drängt sich die Frage auf: Wird es eines Tages möglich sein, dass gleichgeschlechtliche Paare eine kirchliche Ehe schließen können? Oder wird dies auf ewig unmöglich sein? Hermes meint dazu: „Was auf ewig ist, weiß nur der liebe Gott. Ich sehe aber keine Absicht und keinen Ansatz dafür, dass die katholische Kirche, und übrigens auch die orthodoxen und orientalischen Kirchen sowie viele evangelische Konfessionen, das Konzept der Ehe ändern werden. Aber über die Segnungen: Über die müssen wir sprechen!“