Die katholische Kirche investiert rund drei Millionen Euro in Degerloch für ein trauerpastorales Zentrum, das in die Stadt hineinstrahlen soll.

Wo Träume sind, da kann Realität wachsen. Anke Keil würde diesem Bonmot sicher nicht widersprechen. Schließlich ist ihr neues Arbeitsgebiet, das Stuttgarter Trauerzentrum, bereits vor Jahren aus der Vision des pastoralen Konzeptes Aufbrechen von Stadtdekan Christian Hermes erwachsen. Und dennoch spricht sie lieber von Räumen statt von Träumen. „Da wo Räume sind“, sagt sie, „da wachsen die Dinge automatisch.“ Die guten Rahmenbedingungen freilich vorausgesetzt.

 

Dafür hat die katholische Diplom-Theologin, Schreibtherapeutin sowie Trauerbegleiterin für Erwachsene und Familien die vergangenen zwei Jahre gesorgt. Unter dem Dach des Hospiz St. Martin hat sie am Konzept eines Trauerzentrums für Stuttgart gearbeitet. Und nun, da die Gipser, Maler und Trockenbauer in der Karl-Pfaff-Straße 8 mit ihrer Arbeit zügig vorankommen, bahnt sich Anfang des kommenden Jahres der Einzug an. Dann wird das Trauerzentrum im Pfarrhaus der Gemeinde Mariä Himmelfahrt die Arbeit aufnehmen.

Zwei Jahre Konzeptarbeit

„Natürlich beginnen wir nicht ganz neu“, sagt Keil, „das Herzstück ist durch das Hospiz St. Martin ja schon da.“ Aber das Trauerzentrum wachse aus dem Hospiz heraus und bleibe eine Säule von St. Martin. Da ist es wieder: Keils Lieblingswort wachsen. Sie legt es über das ganze Projekt. Im Kleinen und im Großen. Wobei sie kaum Qualitätsunterschiede zwischen kleinen Einzelprojekten und dem Gesamtkonzept macht. Ihre Begeisterung ist immer gleich groß. So kann es Anke Keil fast nicht erwarten, bis zwischen der künftig renovierten Kirche der Gemeinde Mariä Himmelfahrt, dem Friedhof und dem angedockten Trauerzentrum (Gesamtinvestitionen von drei Millionen Euro) ein kleiner Garten der Begegnung entsteht. Für sie ist das auch wieder so ein Raum, in dem so viel passieren könne: „Neue Räume machen neue Möglichkeiten.“ Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, des Gesprächs oder der Stille. In diesem Sinne spricht Anke Keil gerne von „Sozialräumen oder Caring Communities“. Also Gemeinschaften, in denen sich Menschen zusammenfinden und sich gegenseitig unterstützen.

Kernkompetenz der Kirche

Genau dieser Gedanke steht über allem – dem ganzen Trauerzentrum mit seinen einzelnen Bereichen, die in die klassische Trauerbegleitung von Einzelnen oder Gruppen für Erwachsene und Jugendliche, einen niederschwelligen Veranstaltungsbereich, in eine Art Akademie für die Vermittlung- und Fortbildung für Trauerwissen sowie eine Stelle für Spiritualität und Glauben unterteilt sind. „Es sind hier viele gute Grundsteine gelegt“, sagt sie stolz, „das ist ein gutes Fundament, auf dem wir wachsen können.“

Gleichwohl sind die Grenzen des Wachstums bei der Trauerarbeit schnell erreicht. Denn diese Form der Hilfe bei existenziellen Verlusten ist durch die jeweiligen Kostenträger nicht gegenfinanziert. So ist das Trauerzentrum ebenso wie das Hospiz St. Martin auf die Unterstützung der katholischen Hospizstiftung angewiesen. Doch in beiden Fällen scheint das kirchliche Geld gut angelegt. „Denn ich sehe Trauerbegleitung als eine Art von Seelsorge“, sagt Keil „eigentlich hat Kirche hier sogar eine Kernkompetenz.“ Schließlich sei Barmherzigkeit das Leitwort christlicher Diakonie. Konkret: In der Haltung von Barmherzigkeit transformiert sich karitatives Wirken und hilft Menschen in Krankheit, Alter, Not oder eben Trauer. „Wir wollen die Trauernden trösten, wollen im diakonischen Sinne nah an den Menschen sein“, sagt Anke Keil.

Mit anderen Worten: Das neue Trauerzentrum der katholischen Kirche von Stuttgart schafft neue Räume, in denen Menschen nicht nur eine Anlaufstelle finden. Es soll auch ein immaterieller Raum sein, der vom Zentrum aus in die ganze Stadt ausstrahlt. Womöglich sogar ein Raum, in dem Menschen nach schweren Verlusten wieder Kraft finden. Die innere Stärke, um wieder Träume zu wagen.