Das neue Verfahren soll erstmals deutschlandweit einheitliche Standards durchsetzen und Willkür beenden. Der Streit über Weiheämter für Frauen und über den „Synodalen Weg“ geht weiter.

München - Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche können von Januar nächsten Jahres an mit deutlich höheren finanziellen Zuwendungen rechnen als bisher. Die Deutsche Bischofskonferenz hat bei ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda beschlossen, sich künftig an den Urteilen deutscher Gerichte für „Schmerzensgelder in vergleichbaren Fällen“, und zwar an deren „oberem Rand“, zu orientieren. Das bedeutet Summen von bis zu 50 000 Euro – während die bisherigen etwa 2700 Zahlungen maximal ein Zehntel dieser Summe betrugen.

 

Die entscheidende Reform besteht laut dem Limburger Oberhirten Georg Bätzing, dem neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, darin, dass Zahlungen als solche und in ihrer Höhe nicht den einzelnen 27 Bistümern überlassen werden – was allzu oft zu Schmälerungen, Verzögerungen, Willkür oder gar Ablehnung geführt hat –, sondern von einer zentralen, weisungsunabhängigen Stelle entschieden und von dieser direkt an die Betroffenen überwiesen werden. Dieser unabhängigen Stelle sollen sieben Frauen und Männer aus Medizin, Recht, Psychologie und Pädagogik angehören, die nicht bei der Kirche angestellt sein dürfen.

Opfer-Vereinigung enttäuscht

Während Bätzing von einem „wesentlichen Schritt nach vorne“ und von einem „sehr an den Opfern orientierten Vorgang“ sprach, verlangt die Betroffenen-Vereinigung Eckiger Tisch weiter Zahlungen bis zu 400 000 Euro. Man dürfe, so Matthias Katsch als Sprecher, nicht nur aktuelle Taten in den Blick nehmen; es gehe vielmehr „um einen Ausgleich für jahrzehntelange systematische Vertuschung und Verdunkelung von Verbrechen an Kindern und Jugendlichen durch die Institution Kirche und deren Folgen“. Am Betroffenen-Beirat, den die Bischofskonferenz nun auch eingerichtet hat, kritisierte Katsch, ein Gremium, welches die Kirche selbst zusammenstelle, könne „kein Ersatz für den Austausch zwischen Täterorganisation und Opfern sein“.

Weiterhin besteht die Bischofskonferenz darauf, die Zahlungen an Missbrauchsopfer seien „Anerkennung des Leids“; sie seien nicht als „Entschädigung“ zu verstehen. Während Opfervertreter kritisieren, damit lehne die Kirche eine Anerkennung ihrer Schuld ab und bleibe bei niedrigen Summen, argumentiert Bischof Bätzing so: Entschädigungszahlungen unterlägen in Deutschland strengen juristischen Regeln; sie legten hohe Hürden an die Beweispflicht, bräuchten Gerichtsurteile – und seien gar nicht zu erhalten, wenn der Täter (wie so oft im kirchlichen Bereich) bereits tot, der Anspruch verjährt oder ein eindeutiger Nachweis nicht zu führen sei. Die Bischöfe hingegen, so Bätzing, legten ein „niederschwelliges“ Angebot vor, das lediglich an eine „Plausibilitätsprüfung“ gebunden und allen Betroffenen zugänglich sei.

Heftiger Bischofsstreit über Reformweg

Zur Stellung der Frauen in der Kirche sagte Bätzing im Anschluss an die Bischofs-Vollversammlung, man werde „alle bestehenden rechtlichen Möglichkeiten nutzen“, Frauen in Leitungs- und Verantwortungsfunktionen zu holen; „strittig“ sei aber die Öffnung der Priester- und Diakonenweihe. Anders als der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der das Thema durch päpstliche Verbote für erledigt hält, bekräftigte Bätzing: „Die Frage ist weiterhin da.“ Sie bedürfe aber einer weltkirchlichen Entscheidung bei einem Konzil.

Heftig gestritten haben müssen die Bischöfe über das Minikonzil, den Ende Januar eröffneten „Synodalen Weg“ zur Kirchenreform. Der dazu anberaumte „Studienhalbtag“ sei „in großer Offenheit und Ehrlichkeit abgehalten“ worden, sagte Bätzing. Inhaltlich noch nicht äußern wollte er sich zum Verbot von konfessionsübergreifenden Abendmahlsfeiern, das kurz vor Beginn der Vollversammlung aus Rom eingetroffen war. Das brauche eine „solide theologische Sichtung“.