Im Jahr 2015 hat das katholische Projekt „Kirche am Ort“ begonnen, langsam werden konkrete Pläne greifbar. Die Kirche will die Menschen wieder begeistern und den Mitgliederschwund stoppen. Es ist ein Langzeitprojekt.

Ludwigsburg - Ein paar Zahlen verdeutlichen das Problem: Im Landkreis Ludwigsburg gibt es mehr als 530 000 Menschen, davon 116 000 Katholiken. Vor 15 Jahren lebten im Kreis nur 500 000 Leute, aber 122 000 gehörten der katholischen Kirche an. Die Bevölkerung wächst, doch die Mitgliederzahlen der katholischen Kirche schrumpfen. Es ist keine Ludwigsburger Besonderheit, dass die Menschen der großen Glaubensgemeinschaft den Rücken kehren. Aber hier ist der Trend spürbar, im attraktiven Ludwigsburg, im Großraum Stuttgart, wo es Arbeit gibt und Bildung, und wo es die Menschen hinzieht.

 

Um etwas gegen diesen Negativtrend zu unternehmen, hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart das Projekt „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“ ins Leben gerufen. Auch die Ludwigsburger Kirchengemeinden und Seelsorgeeinheiten machen mit, begleitet vom Ludwigsburger Dekanat. Das Projekt sei bewusst offen gehalten, berichtet der Dekanatsreferent Alexander Bair. Im Kern gehe es darum, die lokale Kirchenentwicklung voranzutreiben, das pastorale Profil der Seelsorgeeinheiten zu stärken und zu entwickeln – und wichtige Fragen zu stellen: Wo müsse sich Kirche vor Ort wandeln, wo Strukturen schaffen? „Wo und wie müssen wir zu den Menschen gehen?“, fasst Bair zusammen.

Die Diözese startete „Kirche am Ort“ schon im Jahr 2015, sagte Geld für Organisationsberater und Sachkosten zu. Das Projekt ist eine Reaktion auf die Debatten in der Deutschen Bischofskonferenz über Missbrauchsfälle sowie Tebartz-van Elsts viel kritisierte Geldverschwendung im Bistum Limburg, die die Kirche bundesweit viele Mitglieder kostete. Nach einigen Monaten der Vorbereitung kommt seit diesem Winter Bewegung in die „Kirche am Ort“. Zu einem entsprechenden Vortrag kam unter anderem der Tübinger Theologieprofessor Michael Schüßler Mitte Februar ins Ludwigsburger Bischof-Sproll-Haus. Er verwies darauf, die Botschaft des Evangeliums müsse nach außen getragen werden, es solle aber auch über die Sprache der Verkündung nachgedacht werden. Sie sei für Außenstehende oft schwer zu verstehen.

Wie der weitere Weg aussehen könnte, zeigen nun die ersten Gemeinden und Seelsorgeeinheiten rund um Ludwigsburg. In Ditzingen, dem Teilort Hirschlanden und Gerlingen wurden Fragebögen an die Menschen verteilt: Wie sehen sie die Kirche? Was soll die Kirche tun, wo sich einmischen? Pro Gemeinde seien rund 100 Fragenbögen zurückgekommen. „Kein schlechter Schnitt“, sagt der Ditzinger Dekan Alexander König. „Am zweiten März-Wochenende haben wir hier eine Kirchengemeinderatsklausur“, berichtet König. „Hier wollen wir einen Schritt weiterkommen, Projekte vor Ort setzen.“

Überhaupt geht es darum, konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. Für die Seelsorgeeinheit 14 – mit Freiberg, Pleidelsheim und Ingersheim – etwa gibt es ein solches schon, das wohl erste, das sich aus „Kirche am Ort“ entwickelt. Der Pfarrer Andreas Szczepanek berichtet: „Wir wollen einen katholischen Jugendreferenten einstellen, der sich vor allem um die jungen Menschen kümmert, ihre Sorgen ernst nimmt.“ Schon im April könnte die Stelle besetzt sein. Auch in seiner Seelsorgeeinheit habe es eine Umfrage gegeben. „Evangelische Christen und Konfessionslose haben ebenfalls teilgenommen, das hat uns sehr gefreut“, sagt Szczepanek. „Wir müssen einfach schauen, wo Kirche heute nicht mehr bei den Menschen ankommt. Wir müssen Flagge zeigen.“

Alexander König weist gleichwohl darauf hin, dass es schon viele Projekte und Einrichtungen der katholischen Kirche vor Ort gebe. „Wir haben in Ditzingen die Kleiderkammer, beteiligen uns am Tafelladen“, nennt der Dekan Beispiele. „Wir werden Kirche mal nicht so eben für die nächsten 2000 Jahre neu erfinden und dann funktioniert das.“ Jedes Jahr gebe es neue Themen. „Es ist eine Daueraufgabe.“ Michael Schüssler verwies bei seinem Vortrag auf das zweite vatikanische Konzil: Katholische Kirche müsse wieder und wieder die Zeichen der Zeit neu deuten. Auch rund um Ludwigsburg wollen die katholischen Christen das nun angehen.