Anton Gruber war der erste Priester im Bistum, der seine Gottesdienste ins Internet gestellt hat. Das wird jetzt in Corona-Zeiten unerwartet aktuell. Technikbegeistert war der Weil der Städter Pfarrer schon immer.

Kirche - Den Gottesdienst übers Internet anschauen? Für Weil der Städter ist das nichts Außergewöhnliches. Am kommenden Wochenende werden das viele andere auch tun, weil das Coronavirus selbst dem gemeinsamen Beten in die Quere kommt. Schon seit sieben Jahren kann man samstagabends und sonntagmorgens auf seinem heimischen Gerät beobachten, wie der katholische Pfarrer Anton Gruber predigt und Abendmahl feiert.

 

„Ich habe dafür eine bewegliche Kamera in der Kirche installiert“, erklärt der Priester der großen Peter-und-Paul-Stadtkirche. „Das geht alles automatisch: Wenn der Mesner die Mikrofonanlage anmacht, schaltet sich die Kamera ins Internet.“ Aber nicht nur das: Die Kamera zoomt ins Geschehen, wendet sich zum Rednerpult, wenn dort jemand hinläuft. Und wieder zurück zum Altar, wenn der Pfarrer sich dort für das Abendmahl vorbereitet. Vier bis fünf Einstellungen insgesamt hat die Kamera drauf.

Regie führen muss niemand – Gruber hat alles so programmiert, dass die Kamera das Zoomen und Hin- und Herschwenken selbst hinbekommt. „Das Programm weiß, wie ein Gottesdienst aufgebaut ist“, sagt Anton Gruber.

Fast wäre er Informatiker geworden

Wer ihm zuhört, wie er das so erklärt, glaubt kaum, einen katholischen Pfarrer vor sich zu haben. In der Tat wäre es fast so gekommen, dass der 53-Jährige Informatiker geworden wäre. Schon 1983 – zu seinen Abiturszeiten – hat er sich seinen ersten Computer zugelegt. 1984 hat er ein Textverarbeitungsprogramm geschrieben, in der Fachzeitschrift „Chip“ annonciert – und es tatsächlich einmal verkauft. „Da hatte ich wenigstens den Computer gegenfinanziert“, schmunzelt Gruber. Microsoft Word war damals übrigens noch nicht erfunden.

Gruber entschied sich dann aber doch für das Theologiestudium. Mit zwei Mitbrüdern gründete er den ersten Computer-Club im Wilhelmsstift, dem Tübinger Priesterseminar. „Ja, das war in der Tat etwas seltsam“, sagt er. „Wir haben für Kommilitonen Computer-Schulungen gemacht.“

Die Leidenschaft ließ ihn nicht los. 1996 trat er seine erste Pfarrer-Stelle in Donzdorf (Kreis Göppingen) an und stellte erst mal im Pfarrbüro einen Computer auf, den es bis dato dort nicht gegeben hatte. Die Kirche in Donzdorf heißt übrigens St. Martinus. „Ich hab uns damals die Domain st-martinus.de gesichert“, erinnert sich Gruber. „Von den mehr als hundert Martinsgemeinden im Bistum ist es deshalb Donzdorf, die diese Internetadresse hat.“ Bis vor zwei Jahren war die Seite noch aktiv, die er damals programmiert hatte.

„Mir macht es einfach Spaß, mit Logik etwas zu entwickeln“, berichtet Anton Gruber über seine für einen Pfarrer ungewöhnliche Leidenschaft. Logisch ist da auch, dass er irgendwann seine Gottesdienste ins Netz stellen wollte. Schon Anfang der 2000er Jahre hat er damit in Donzdorf angefangen. Beim Domradio in Köln hatte man das bereits gemacht – aber sonst? „Nein, noch nicht einmal im Dom in Rottenburg hatten sie die Gottesdienste damals übertragen“, sagt Gruber, der somit der erste im Bistum war.

Seit 2010 gehen die Gottesdienste online

Seit 2010 ist er Pfarrer in Weil der Stadt und tut es seitdem auch hier. „Zielgruppe sind Leute, die nicht in den Gottesdienst kommen können“, sagt der Pfarrer. Natürlich sei es kein Ersatz für den persönlichen Gottesdienstbesuch. „Der eigentliche Gottesdienst ist immer schöner“, betont er. Für Ältere aber eine gute Gelegenheit oder für auswärtige Geschäftsreisende. „Mir haben schon Leute erzählt, die beruflich in den USA waren und sich den Gottesdienst im Internet angeschaut haben. So hatten sie ein Stück Heimat bei sich“, erzählt der Pfarrer.

20 Leute schauen im Durchschnitt zu, an Weihnachten auch mal 60 bis 70. Vergangenen Sonntag waren es 120 Zuschauer – Corona war da schon spürbar. So plant er es auch in den kommenden Wochen, wenn bis mindestens 19. April die Gottesdienste in Deutschland ohne Gläubige stattfinden müssen. „In diesen Zeiten ist es besonders wichtig, ein Stück Normalität zu bieten“, erklärt der Theologe. „Und das ist eben die Stunde am Sonntagmorgen, die für unseren Herrgott ist.“ Aber nicht nur das: Am kommenden und am übernächsten Sonntag schließt sich Gruber mit seiner evangelischen Kollegin Eva Ulmer zusammen, die vor der Kamera mitfeiert. Bei der Predigt wechseln sich die beiden Weil der Städter Pfarrer ab.

Eines geht übrigens nicht: Den Gottesdienst später nachschauen. Man kann nur im Livestream dabei sein. „Das geht theologisch nicht“, erklärt Gruber. „Im Gottesdienst sind wir miteinander verbunden – ob in der Kirche oder vor dem Gerät.“ Auch Gottesdienste im Fernsehen würden deshalb immer live ausgestrahlt.

Gottesdienste im Internet

Weil der Stadt: Die katholischen Gottesdienste findet man unter der Internetadresse www.netzgottesdienst.de. Die üblichen Gottesdienstzeiten sind am Samstag um 18.30 Uhr, am Sonntag um 10.30 Uhr und am Donnerstag um 9.30 Uhr. Der Live-stream ist kostenlos und kann mit jedem Computer, Tablet oder Handy mit dem normalen Internet-Browser verfolgt werden.

Renningen: Auch die dortige Kirchengemeinde reagiert auf Corona. Ministranten bereiten die Übertragung auf Youtube, Instagram und Facebook vor, heißt es in einer Mitteilung.