Die britische Serie „Killing Eve“ mit Jodie Comer als Auftragsmörderin und Sandra Oh als MI5-Agentin ist eine der besten Thrillerserien, die es derzeit zu sehen gibt. Wir haben mit den Hauptdarstellerinnen über das Geheimnis ihres Erfolgs gesprochen.

Stuttgart - „Killing Eve“ ist morbide, clever, witzig und ein nervenaufreibender Thriller, den zunächst kaum jemand auf der Liste hatte. Sandra Oh spielt Eve, eine Schreibtischagentin beim britischen Geheimdienst, die darauf hofft, endlich einen richtigen eigenen Fall zu bekommen, Jodie Comer ist Villanelle, eine psychopathische Auftragskillerin, die in ständig neuen Verkleidungen durch Europa reist. Dann beginnt ein erotisch aufgeladenes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem nie sicher ist, wer hier eigentlich wen jagt. Comer hat einen Bafta-Award bekommen für ihre Rolle, Sandra Oh einen Golden Globe. Die zweite Staffel der Serie auf Basis der „Villanelle“-Romane von Luke Jennings ist nun auf dem Amazon-Channel Starzplay zu sehen – und aktuell für sechs Emmys nominiert.

 

Ms. Oh, Ms. Comer, bei Geschichten über Geheimagenten ist James Bond meistens die erste Referenz. Könnte man Ihre Serie „Killing Eve“ als eine Art moderne, weibliche Antwort auf 007 sehen?

Oh: Auf keinen Fall. „Killing Eve“ ist ein ganz eigenständiges Ding, das solche Referenzen gar nicht nötig hat. Ich finde schon den Gedanken dahinter problematisch: Warum sollten wir uns über einen männlichen Archetyp definieren? Klar sehe ich die Bezugspunkte, aber bei genauem Hinsehen merkt man doch schnell, dass unsere Serie eigentlich mit nichts vergleichbar ist, was es schon gibt. Und ich habe keine Lust, dass der Eindruck entsteht, wir könnten als Protagonistinnen einer solchen Geschichte nur erfolgreich sein, wenn wir einem Kerl nacheifern. Das Gegenteil ist doch gerade unsere Stärke!

Was macht denn den besonderen Reiz der Serie aus? Gibt es eine Kernbotschaft, auf die sie sich herunterbrechen lässt?

Oh: Eine Botschaft? Dazu kann und will ich eigentlich nichts sagen. Solche Aussagen finde ich viel zu einschränkend. Eine der interessanten Aspekte an der ersten Staffel von „Killing Eve“ war ja, dass die Reaktionen der Zuschauerinnen und Zuschauer ein riesiges Spektrum abdeckten. Da ist etwas, was ich unterstützen und nicht durch meine Interpretation einer Botschaft unterwandern will. Die Serie und ihre Protagonistinnen sind genauso komplex und vielseitig wie das Publikum. Also lassen Sie uns die Sache nicht simplifizieren.

Es lässt sich aber nicht leugnen, das ein Teil der Besonderheit von „Killing Eve“ darauf basiert, dass viele Stereotypen etwa in Sachen sexueller Identität oder auch Hautfarbe über den Haufen geworfen werden, oder?

Comer: Absolut, und ich bin mir sicher, dass das einer der wichtigsten Aspekte war, der vielen Leuten an der Serie so gut gefallen hat. Diese beiden Frauen tun und lassen, was sie wollen, und sind, wer sie sind. Ohne sich zu verstellen und vor allem ohne sich dafür zu entschuldigen. Ganz zu schweigen davon, das sie ein sehr eigenwilliges, vielschichtiges Verhältnis zueinander haben. All das ist meiner Meinung nach etwas, womit sich gerade Frauen identifizieren können.

Oh: Trotzdem lässt sich auch daraus keine simple Botschaft ableiten. Einfach, weil man der Geschichte und den Figuren damit nicht gerecht werden würde. Gerade mit Blick auf die sexuelle Identität trifft ja auch die Serie selbst nie eine gezielte Aussage. Wir sagen nicht: Eve ist lesbisch oder Eve ist heterosexuell, einfach, weil auch in der Realität die wenigsten Menschen immer nur das eine oder das andere sind.

Comer: Auch Villanelles Sexualität wird nie wirklich diskutiert. Sie ist einfach so, wie sie ist, und genau das liebe ich an dieser Figur.

Auch jenseits der sexuellen Anziehung sind diese beiden Frauen voneinander besessen. Wie würden Sie diese Besessenheit beschreiben?

Comer: Puh, auch das ist nicht so ohne Weiteres herunterzubrechen. Eine Mischung aus Respekt, Bewunderung und Faszination, würde ich sagen. Beide sehen in der jeweils anderen einerseits eine verwandte Seele, andererseits jemanden, der ein vollkommen anderes Leben hat. Villanelle etwa ist fasziniert von der Normalität von Eves Leben, dass sie einen anderen Menschen liebt und von Alltag und Familie umgeben ist. Gleichzeitig entdecken aber auch wir selbst in jeder Folge wieder Neues an der Beziehung dieser beiden Frauen, auch Widersprüchliches. Das macht die Serie so frisch und aufregend.

Vor allem Villanelle ist in dieser Besessenheit auch sehr psychopathisch, und natürlich kann man der Serie eine gewisse Düsterheit nicht absprechen. Wie sehr nagt das Innenleben Ihrer Figur an Ihnen, Miss Comer?

Comer: Ach, eigentlich gar nicht so sehr. An manchen Tagen kommt es schon vor, dass ich Schwierigkeiten damit habe, ihrer Emotionen wirklich Herr zu werden. Aber an sehr vielen Tagen fällt es mir erstaunlich leicht, mich in sie hineinzuversetzen. Und vor allem ist es für mich ein Kinderspiel, die psychotische Killerin hinter mir zu lassen, sobald die Kamera nicht mehr läuft. Gerade weil es mir so unglaublich viel Spaß macht, Villanelle zu spielen.

Oh: Manchmal ist es fast ein wenig erschreckend, mit anzusehen, wie viel Spaß Jodie in dieser Rolle hat (lacht).

Wie geht es denn Ihnen mit Ihrer Serienfigur, Miss Oh?

Oh: Freude an der Rolle habe ich auch. Aber Eve ist auch eine große Herausforderung. Vielleicht gerade, weil sie – anders als Villanelle – nicht unbedingt diese Szenen hat, in denen sie alle Gefühle unmittelbar und eins zu eins auch auslebt. Von einer Psychokillerin erwartet man Obsession und Gewalt, bei einer ziemlich durchschnittlichen, nicht mehr ganz jungen Frau wie Eve ist das dagegen etwas sehr Ungewöhnliches. Diese Düsternis, in die Eve sich in der zweiten Staffel noch viel mehr begibt als bisher, hat für mich echt ihre Tücken. Doch zum Glück mache ich viel Therapie, das hilft!

Stimmte zwischen Ihnen beiden von Beginn an die Chemie, auch jenseits der Kamera?

Comer: Ja, auf Anhieb!

Oh: Tatsächlich ist das Verhältnis von uns als Schauspielerinnen zueinander für mich der Inbegriff von Chemie. Wir hören beide extrem gut zu, was keine Selbstverständlichkeit ist. Wir beide sind aufmerksam und wissen in jedem Moment ganz genau, was gerade passiert. Wenn Jodie – buchstäblich oder im übertragenen Sinne – etwas fallen lässt, kann ich es unmittelbar auffangen. Dazu muss man nicht beste Freundinnen sein, und es ist nicht so, dass wir uns auch in unserer Freizeit ständig Textnachrichten schicken. Aber in der Arbeit ist die Energie zwischen uns unschlagbar.

Anders als bei der ersten Staffel ist Phoebe Waller-Bridge, die Schöpferin von „Killing Eve“, bei den neuen Folgen nicht mehr als Autorin dabei. War das eine Umstellung?

Oh: Eine Umstellung und natürlich auch eine Herausforderung. Aber Veränderung ist immer auch eine gute Chance für einen neuen kreativen Schub. Und abgesehen davon war es für uns natürlich sehr hilfreich, dass es zwar eine neue Showrunnerin gab, aber der Großteil des Ensembles und der Crew gleich geblieben ist. Für das wichtige Element der Vertrautheit war also trotzdem gesorgt.