Streunerkatzen sind häufig krank, hungern und leben nicht lang. Mit einer Katzenschutzverordnung soll nun zumindest ihre rasante Vermehrung ausgebremst werden.

Katzen, die nur noch Haut und Knochen sind, Katzen mit offensichtlichen Verletzungen, mit geschwollenen Augen oder verfilztem Fell: Die Bilder, die Tierschützerin Jutta Szabo in der jüngsten Sitzung des Weiler Gemeinderats an die Wand warf, waren eindrücklich genug, um einige anwesende Räte umzustimmen. Über eine Katzenschutzverordnung hatten sie bereits im April vergangenen Jahres abgestimmt – und den Beschluss damals, nach kontroverser Diskussion, mit knapper Mehrheit abgelehnt. Warum nun also doch?

 

Unterstützung vom Landratsamt und Kreistierheim

„Dieser Fall zeigt, dass unsere Beschlüsse auch immer davon abhängig sind, welche Informationen wir bekommen und wie die Vorlage gestaltet ist“, kommentierte CDU-Rat Michael Hofbauer im Zuge der Debatte. Als das Thema vor rund einem Jahr besprochen wurde, war Jutta Szabo, die in Weil der Stadt regelmäßig ehrenamtlich streunende Katzen einsammelt, nicht vor Ort, um von ihrer Arbeit zu sprechen. Und auch mit einem Besuch von Wilhelm Hornbauer, Leiter des Böblinger Veterinäramtes, der die Katzenschutzverordnung ausdrücklich unterstützt, bekam der zweite Versuch in dieser Sache einen offiziellen Anstrich.

Der persönliche Bericht von Jutta Szabo zeigte nun doch seine Wirkung. „Ich habe in meinem Leben schon mehr gesehen, als ich wollte“, sagte die Tierschützerin mit Bezug auf die vielen – oft schwer kranken und abgemagerten – Katzen, die sie in ihrer ehrenamtlichen Arbeit schon gerettet hat. Rund zwei Millionen Streunerkatzen gibt es in Deutschland, die meisten müssen leiden und vermehren sich zudem mit rasanter Geschwindigkeit. Erst letzte Woche habe sie einen schwer verletzten Kater gefangen, berichtet Szabo. Viele der Tiere hätten den sogenannten Katzenschnupfen, Parasiten oder andere Krankheiten, an denen sie, wenn unbehandelt, schon nach wenigen Jahren sterben. „Das ist die Hölle für die Tiere“, so Szabo. „Überlegen Sie sich, ob sie dieses Elend in Weil der Stadt wollen.“

Weil der Stadt ist Sorgenkind

Die Keplerstadt, so sagt es die Tierschützerin, sei ihr Sorgenkind. Seit Jahren versuche sie in Kooperation mit dem Kreistierheim das Problem in und um Weil der Stadt einzugrenzen, nicht nur mit dem Einsammeln und Kastrieren der Tiere, sondern auch mit Informationskampagnen und Aufklärungsarbeit. „Aber es gelingt mir einfach nicht.“ 25 Katzen haben die Tierschützer alleine im Jahr 2021 in der Stadt eingefangen. Ein Hotspot sei eine Fläche beim E-Center.

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Eine Katzenschutzverordnung, die Halter freilaufender Katzen zur Kastration und Registrierung der Tiere verpflichtet, soll besonders die Fortpflanzung einschränken und so besonders langfristig Leid vermeiden. Durch eine Registrierung könnten die Besitzer einer entlaufenden Katze schneller gefunden werden. Die Tierheime würden langfristig entlastet werden. Und auch für den Artenschutz hat eine solche Regelung einen Vorteil: Weniger Streunerkatzen jagen auch weniger heimische Singvögel oder kleine Säugetiere, die damit nicht mehr so stark gefährdet wären.

Schutzverordnung bringt Rechtssicherheit für Katzenfinder

Für ehrenamtliche Katzenfinder wie Jutta Szabo bringt eine Katzenschutzverordnung aber besonders eine Rechtssicherheit, die sie bisher noch nicht hatten. Denn wenn die Tierschützer ausrücken und eine Streunerkatze zur Kastration zum Tierarzt bringen, sich aber später doch ein Halter findet, könnten die Ehrenamtlichen sich der Sachbeschädigung strafbar machen.

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Besonders die Rechtslage war bei der erstmaligen Diskussion zur Katzenschutzverordnung vergangenes Jahr immer wieder Thema – und auch in Runde Nummer zwei kam dieser Punkt wieder auf. „Nicht unerhebliche Bedenken bei der Grundrechtseinschränkung“ äußerte FDP-Stadtrat Hans Dieter Scheerer mit Blick auf die potenzielle Verletzung von Eigentumsrecht und dem Betreten von Privatgrundstück.

„Wir rücken nur auf Anruf aus“, versicherte Jutta Szabo hingegen. „Und wir würden uns auch niemals trauen, einfach durch Privatgärten zu laufen.“ Das fände immer nur in Absprache mit den Besitzern statt. Dass Tierschutz auch ein erklärtes Staatsziel des Grundgesetzes sei, damit argumentierte Bürgermeister Christian Walter (parteilos). Letzte Bedenken gab es außerdem beim Thema Kosten – eine Kastrierung wird im Moment aber über ein Katzenkastrationsprojekt des Landratsamtes gezahlt.

Keine großflächige Kontrolle geplant

Geklappt hat es in Runde Nummer zwei schließlich doch: Mit nur zwei Gegenstimmen beschloss der Gemeinderat die Einführung der Katzenschutzverordnung – mit breitem Konsens, dass die neue Regelung im Sinne des Katzenwohles und des Artenschutzes die richtige Maßnahme sei. Die Schutzverordnung bedeute aber nicht, dass das Ordnungsamt nun ausrücke, um einzelne Tierhalter zu kontrollieren, ergänzte Wilhelm Hornbauer vom Landratsamt abschließend. „Es geht um die Botschaft. Ihr habt die Verantwortung für eure Tiere.“

Was gilt für Katzenbesitzer?

Regeln
 Die neue Katzenschutzverordnung soll in Weil der Stadt zum 1. Juli 2022 in Kraft treten. Ab dann gilt eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für freilaufende Katzen. Bußgelder können bei Verstoß nicht verhängt werden, die Registrierung und Kastration kann aber behördlich angeordnet werden.

Katzenschutzverordnung
 Eine Verordnung, wie sie nun in Weil der Stadt gelten soll, gibt es im Altkreis bereits in Weissach, Heimsheim und Mönsheim. Die punktuelle Umsetzung einer solchen Verordnung ist zwar sinnvoll – noch besser wäre laut Tierschützern aber eine flächendeckende Regelung für Land oder sogar Bund.