Eine Kampfkandidatur in der Fraktion muss Merkel beunruhigen

Berlin - Dass ein Teil der Unionsbundestagsabgeordneten unzufrieden mit der Führung ist, ist nicht neu. Davon zeugt das schlechte Ergebnis, das Fraktionschef Volker Kauder bereits bei der letzten Abstimmung vor einem Jahr erhalten hatte. Ein Viertel der CDU- und CSU-Abgeordneten verweigerte ihm damals die Jastimme – obwohl es seinerzeit keinen Gegenkandidaten gab. Das zeigt: Kauder kann sich bei einem Herausforderer nicht sicher sein, als Sieger vom Platz zu gehen.

 

Dass es in demokratischen Organisationen Wettbewerb um höchste Ämter gibt, ist völlig in Ordnung. Doch die Tradition der Union besagt etwas anderes. Denn bei der Wahl des Unionsfraktionschefs geht es auch um die Stellung der Kanzlerin. Schließlich schlagen die Parteivorsitzenden von CDU und CSU seit jeher der Fraktion einen Kandidaten vor. Deshalb sind die Ambitionen von Ralph Brinkhaus ein Warnschuss an die Kanzlerin. Es ist vor allem der Wirtschaftsflügel, der mit der deutschen Regierungspolitik unzufrieden ist. Im Frühjahr war es der 50-jährige Finanzpolitiker, der vor zu weitgehenden Euroreformen warnte. Das zeigte jedem, dass die Fraktion Merkel in dieser Frage nicht über den Weg traut. Die Fraktion setzte sich mit vorsichtigen Euroreformvorschlägen durch. Wenn Teile der Fraktion jetzt eine Kampfkandidatur erwägen, muss die Kanzlerin sich auf Gegenwind einstellen. Das Misstrauen ist groß.

Dem Stand der Dinge nach dürfte es für Kauder noch mal glimpflich ausgehen. Brinkhaus ist als Fachpolitiker ein Schwergewicht. Doch es fehlt ihm an Erfahrung. Brenzlig würde es für Kauder nur, wenn Haudegen wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier oder Gesundheitsminister Jens Spahn in den Ring stiegen. Das ist aber nicht zu erwarten.

roland.pichler@stzn.de