Der Warenhaus-Coup des österreichischen Unternehmers René Benko sorgt für Unruhe in den Belegschaften. Wohin steuern Kaufhof und Karstadt, wenn das Kartellamt bis zum 9. November dem Zusammenschluss zustimmt? Das Arbeitnehmerlager wappnet sich für den Konflikt.

Stuttgart - Der österreichische Immobilienkönig René Benko versucht zu beruhigen: „Es wird nicht zu Massenschließungen kommen“, sagte der Eigner der Immobilienholding Signa dem „Handelsblatt“ über sein „K. u. K.“-Imperium von Kaufhof und Karstadt mit europaweit 243 Standorten und 32 000 Mitarbeitern. „Natürlich müssen wir sanieren, aber wir werden wie bisher um jede Filiale kämpfen und versuchen, sie in die schwarzen Zahlen zu führen.“

 

Das Benko-Interview gibt den Beschäftigten wenigstens etwas Nahrung. Bisher erhalten sie keine konkrete Information über die geplante Fusion zu einer Warenhaus-AG – weder der Betriebsrat, noch der Gesamtbetriebsrat und schon gar nicht die Gewerkschaft. Das Management von Signa und dem kanadischen Handelskonzern HBC untersucht, rechnet und plant zwar – nach außen dringt jedoch nichts. Den Grund nennt Benko selbst: „Erst einmal muss das Bundeskartellamt die Fusion prüfen – dem möchte ich nicht vorgreifen.“ Der Bescheid ist in einem Monat zu erwarten.

Schnelle Synergie-Effekte nur in den Zentralfunktionen?

Nachdem schon über 5000 bedrohte Jobs spekuliert wurde, lässt Benko hoffen, „dass es nicht zu Massenschließungen kommen wird“. Baden-Württembergs Verdi-Fachbereichsleiter Bernhard Franke sieht sich bestätigt, „dass jedenfalls kurzfristig kein Kahlschlag zu erwarten ist“. Doppelstandorte zum Beispiel seien nicht grundsätzlich ein Problem – wo Kaufhof und Karstadt bisher gut miteinander lebten, sei dies auch künftig möglich. Sie könnten aus der Koexistenz Vorteile ziehen und unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Keinesfalls sollten gute Standorte leichtfertig aufgegeben werden. „Mittelfristig würde ich überhaupt nichts ausschließen, was das Filialnetz angeht, aber akut mache ich mir nicht so große Sorgen“, sagte Franke unserer Zeitung. Daraus lässt sich ableiten: schnelle Synergie-Effekte seien allenfalls in den Zentralfunktionen – bei Verwaltungen, Logistik und IT-Bereich etwa – realisierbar. „Wir stehen für Verlässlichkeit und soziales Augenmaß“, sagt Benko. Dennoch muss sich die Gewerkschaft auf eine Auseinandersetzung vorbereiten – indem sie die Belegschaften miteinander vernetzt. In diversen Verdi-Landesbezirken wurde bereits zu gemeinsamen Arbeitstagungen mit Betriebsräten aus beiden Unternehmen eingeladen. Viele der Arbeitnehmervertreter haben dadurch erstmals seit Jahrzehnten gemeinsam diskutiert. In Baden-Württemberg könnte ein solches Treffen Anfang Dezember erfolgen. Ziel ist eine gewerkschaftliche Positionierung über den Tellerrand des eigenen Betriebes hinaus – was die Voraussetzung dafür ist, dass man sich nicht gegeneinander ausspielen lässt.

Verschmelzung würde Riesenärger bringen

Theoretisch könnten die neuen Eigentümer die Arbeitnehmer mit einer Verschmelzung quasi austricksen. Dann wäre wohl das niedrigere Niveau des Karstadt-Tarifvertrags auch für die Kaufhof-Beschäftigten anwendbar. Doch eine solche Strategie würde Belegschaften, Betriebsräte und Verdi sofort gegen das neue Management aufbringen. Zudem ist die Rückführung des Karstadt-Tarifvertrags in den Flächentarif für 2021 fest vereinbart. Die Eigentümer hätten also kaum Nutzen von dem Manöver – folglich erwartet Verdi eher, dass Signa in Verhandlungen einsteigen will.

Hoher Investitionsstau in den Häusern

„Wir sind in jeder Stadt mittendrin“, sagt Benko. „Hier ergeben sich einzigartige Chancen.“ Wenn er allein an die Verknüpfung von Online- und stationärem Geschäft denke, „kann uns niemand das Wasser reichen“. Dennoch sieht Oliver Janz den hohen Investitionsstau als Hauptproblem: „Ohne die Renovierung vieler Kaufhäuser macht eine strategische Neuausrichtung keinen Sinn“, sagt der Handels-Professor von der Dualen Hochschule Heilbronn. Der 47-Jährige war selbst von 2004 bis 2006 Leiter Filialstrategie bei Karstadt. Signa hat sich bisher nicht zu geplanten Investitionen geäußert. Die in Medien kolportierte Bargeldspritze von 400 Millionen Euro hält Janz für „nicht ausreichend“. Die durch die Fusion eingesparten Mittel müssten viel stärker in die Warenhäuser reinvestiert werden.Als vielversprechenden Ansatz, um die Geschäfte anzukurbeln, sieht Janz die Fremdvermietung von Verkaufsflächen, auch als „Concession Modell“ bekannt. Dafür gebe es verschiedene Ansätze, angefangen von Shop-in-Shop-Flächen, auf denen eigene oder externe Mitarbeiter Herstellermarken verkaufen. Durch den Ausbau dieses Modells und einer gleichzeitigen Modernisierung könne es gelingen, auch namhaftere Marken zu gewinnen, die Karstadt und Kaufhof bisher aus Imagegründen gemieden haben, so der Handelsexperte. Kleinere Warenhäuser wie Breuninger oder P&C hätten dieses Problem nicht, dort seien die Häuser jedoch „besser in Schuss“.

Fremdvermietung ein probates Mittel

Ein weiterer Ansatz sei die Vermietung von größeren Flächen oder ganzen Etagen an Lebensmittelhändler, Drogerieketten oder Optiker, wie etwa in Bonn, Düsseldorf und Hamburg geschehen. Eine solche Vermietung von Teilflächen könnte nach Ansicht von Janz „ein wichtiger Baustein der Strategie“ sein, wäre aber „nicht das rettende Element“ für alle Warenhäuser. Er geht davon aus, dass die Signa-Gruppe, die sich selbst als „einen der bedeutendsten Immobilieninvestoren in Europa“ bezeichnet, auch Ausschau nach finanzstarken Interessenten zur Fremdvermietung ganzer Warenhäuser in attraktiven Lagen hält. Dieses Modell führte 2014 in Stuttgart zur Schließung eines Karstadt-Hauses in der Königstraße. Auch den Abriss benachbarter Häuser und den Neubau noch größerer Shoppingcenter auf den frei gewordenen Flächen hat es etwa in Berlin und Essen bereits gegeben.

Zukunft der Zentralen noch unklar

Benko zufolge sollen beide Unternehmen ihre Namen behalten – es seien „enorm kraftvolle Marken“. Eine Zwei-Marken-Strategie mache Sinn, sagt auch Franke. Es gebe keine Veranlassung, eine aufzugeben. Abgestoßen hingegen wird wohl eine der Zentralen in Köln und Essen – selbst ein ganz neuer Standort wäre denkbar.