Wo sitzt die meiste Kaufkraft und wo fließt sie hin? Die IHK-Bezirkskammer hat die Einzelhandelskennzahlen ausgewertet – mit erstaunlichem Ergebnis.
Die Kassen klingeln – aber nicht immer da, wo sie sollen. Zwar wächst die Kaufkraft im Rems-Murr-Kreis weiter, doch der stationäre Handel im Ländle verliert im Wettbewerb um die Kundschaft spürbar an Boden. Die IHK-Bezirkskammer Rems-Murr hat die aktuellen Einzelhandelskennzahlen für das Jahr 2025 ausgewertet. Demnach verfügen die Einwohnerinnen und Einwohner des Rems-Murr-Kreises über eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von rund 3,67 Milliarden Euro – ein Zuwachs von knapp 170 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr, teilt die Kammer mit. Die Pro-Kopf-Kaufkraft liegt demnach bei 8291 Euro und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 7856 Euro, jedoch leicht unter dem regionalen Wert von 8420 Euro. Innerhalb des Kreises reicht die Kaufkraftspanne von 7334 Euro in Murrhardt bis 8903 Euro in Weissach im Tal.
Was bedeutet Kaufkraft?
Kaufkraft bezeichnet den Geldbetrag, den Verbraucherinnen und Verbraucher in einem bestimmten Gebiet durchschnittlich für Waren und Dienstleistungen ausgeben können.
Der stationäre Einzelhandel im Kreis wird im Jahr 2025 voraussichtlich einen Umsatz von 2,67 Milliarden Euro erzielen – ein Plus von gut 110 Millionen Euro. Dennoch bleibt die Kaufkraftbindung mit rund 73 Prozent nahezu konstant und liegt weiterhin deutlich unter dem Landesdurchschnitt (84 Prozent) sowie dem Bundesdurchschnitt (87 Prozent).
„Das Umsatzplus ist erfreulich, doch die strukturellen Herausforderungen bleiben bestehen. Der Einzelhandel vor Ort verliert weiter an Boden. Diesem Trend gilt es entgegenzuwirken“, betont Markus Beier, Leitender Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr.
Die Herausforderungen für den stationären Einzelhandel sind vielfältig:
- Allgemeine Konsumzurückhaltung: Die Unsicherheit über die geopolitische Situation und die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland schürt Ängste, die sich in Kaufzurückhaltung, vor allem beim mittel- und langfristigen Bedarf, ausprägt.
- Wachsender Online-Handel: Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten kaufen online.
- Verändertes Konsumverhalten: Kundinnen und Kunden erwarten heute ein nahtloses Einkaufserlebnis über alle Kanäle hinweg (Omni-Channel). Wer diese Erwartungen nicht erfüllt, verliert Marktanteile.
- Hohe Kostenbelastung: Steigende Energiepreise, Mieten und Personalkosten setzen insbesondere kleine und mittelständische Händler unter Druck.
- Fachkräftemangel: Viele Händler kämpfen mit Personalengpässen, was Servicequalität und Öffnungszeiten beeinträchtigt.
- Demografischer Wandel: Eine alternde Bevölkerung verändert die Nachfrage, während jüngere Zielgruppen stärker digital orientiert sind.
- Konkurrenz durch Einkaufszentren und Outlets: Große Handelsstandorte in der Region ziehen Kaufkraft ab.
Innenstadtentwicklung, Service und Marketing
Markus Beier: „Es gibt keine pauschalen Patentrezepte, um alle Herausforderungen zu meistern – doch gezielte Innenstadtentwicklung, erlebnisorientiertes Marketing sowie ein guter Service und digitale Sichtbarkeit sind entscheidende Schlüssel, um Kunden im Kreis zu halten.“
Ein zentraler Indikator für die Attraktivität eines Standorts ist die sogenannte Zentralitätskennziffer. Ein Wert über 100 signalisiert, dass Kaufkraft aus dem Umland angezogen wird. Der Rems-Murr-Kreis erreicht aktuell 83,3 Punkte (Vorjahr: 83,9) und bleibt damit im regionalen Vergleich auf dem vorletzten Platz. Nur drei Städte im Kreis können weiterhin Kaufkraft aus dem Umland binden:
- Backnang mit 157,3 Punkten (Platz 2 in der Region),
- Fellbach mit 129,2 Punkten und
- Schorndorf mit 114,3 Punkten.
Die Auswertung aller Gemeinden des Rems-Murr-Kreises ist abrufbar unter: Einzelhandelskennzahlen