Für viele Wintersportler ist die aktuelle Saison eine herbe Enttäuschung. Dass die Bedingungen künftig häufiger so schlecht sein werden, wissen die Skiclubs. Wie reagieren sie darauf?

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Seit 45 Jahren oder noch länger steht Bernd Beutel auf den Brettern. Wann er das erste Mal auf Skiern gefahren ist, weiß er selbst nicht mehr so genau. In diesem Winter jedenfalls hat es noch nicht geklappt. „Dass ich das bis Mitte Januar nicht hinbekomme, kam noch nie vor“, sagt der stellvertretende Vorsitzende beim Skiclub Benningen (Kreis Ludwigsburg) .

 

In dieser Woche hat es in den Bergen zwar wieder etwas geschneit, doch die nächste Warmfront ist bereits da. Welche Bedingungen in den Bergen herrschen, ob überhaupt Schnee liegt, das ist Zufall. Abfahrten und Loipen betrifft das gleichermaßen. Beutel blickt mit Sorgen auf die Entwicklung. „Es scheint, als seien die Auswirkungen des Klimawandels auf den Alpenraum kaum mehr aufzuhalten“, sagt er. Wie lang das Allgäu, Teile Bayerns oder auch Tirols noch Skigebiete sein werden, ist unsicher.

Keine Skilehrer, kein Nachwuchs?

Was das für die Skiclubs bedeutet? Darüber können die Verantwortlichen nur mutmaßen. Wenn die Winter künftig ähnlich warm und schneearm werden, dürften immer mehr Ausfahrten ausfallen. Für die Vereine wird sich das voraussichtlich auf zweierlei Arten auswirken: Fehlen Angebote für Kinder und Jugendliche, die erst einmal reinschnuppern in den Sport, könnte der Nachwuchs ausbleiben. Bei weniger Ausfahrten und anderen Angeboten wird es für Clubs, die eigene Hütten betreiben, zudem immer schwieriger, diese zu finanzieren.

Beim Thema Nachwuchs spielt noch ein anderer Faktor eine Rolle: die Skilehrer. Wenn niemand mehr da ist, der die Neulinge anleitet, dann gibt es für sie auch keine Extra-Angebote. Sein Club sei „in der glücklichen Lage“, frisch einige Mitglieder für die Aufgabe gewonnen zu haben, sagt Beutel.

Sind alle Skifahrer Umweltsünder?

In anderen Vereinen ist die Lage schon kritischer. Bei der Skizunft Kornwestheim etwa. „Aber bei den Ehrenamtlichen haben ja alle Sorgen“, sagt Timo Keller, zweiter Vorsitzender und selbst Skilehrer. Was die Zukunft der Pistengaudi angeht, sieht der 49-Jährige nicht nur schwarz. Die Ausfahrten hätten bisher alle stattgefunden, die anstehenden seien bereits gut gebucht. Das ist auch von anderen Vereinen zu hören. „Und für die Kids hat es in diesem Winter gut funktioniert“, sagt Keller. „Es interessiert sie nicht, ob sie im Schnee oder mal im Gras landen.“ In der Vergangenheit habe es immer mal wieder schlechtere Winter gegeben. Es werde aber auch wieder besser werden.

Als Skifahrer lerne man von Kindesbeinen an, „den Umweltaspekt etwas auszublenden“, räumt er ein. Dass manch einer deshalb auf Skisportler zeige, aber zweimal im Jahr mit dem Flugzeug in den Urlaub fliege, passe nicht zusammen. Auch als Wintersportler könne man etwas für seinen CO2-Abdruck tun. Dazu gehöre, auf Ein-Tages-Touren zu verzichten, „Fahrgemeinschaften zu bilden, das ergibt sich schon aus den horrenden Spritpreisen.“ Dass Skifahrer nicht automatisch Umweltsünder sind, betont auch Jochen Söder, zweiter Vorsitzender des Ski-Clubs Gerlingen. Das sei aus eigenem Interesse so. Pisten mit grünen Löchern zu beschneien sei prinzipiell nichts Schlechtes – auch um die Natur darunter zu schützen. Übertreiben dürfe man es aber nicht.

Wer kann sich Skifahren noch leisten?

In Gerlingen haben die Verantwortlichen beobachtet, dass sich die Klientel, die an den Ausfahrten teilnimmt, nach Corona verändert hat. Einige Altgediente seien nicht mehr dabei – „einige wohl auch, weil sie sich über den Umweltaspekt Gedanken machen“. Für andere sei es eine Kostenfrage. „Skisport wird insgesamt elitärer“, sagt Söder, „einen Teil der unteren Mittelschicht werden wir verlieren.“ Von einem Volkssport könne ohnehin nicht mehr die Rede sein. Im Widerspruch zu den proppenvollen Pisten vielerorts stehe das nicht, denn die habe es vor allem gegeben, weil sich die Touristen auf wenigen Pisten ballten. Mitte Dezember, als es ausreichend geschneit hatte und mehr Möglichkeiten gab, sah das anders aus.

Beim Deutschen Alpenverein (DAV), der alle Sparten des Alpinismus abdeckt, ist man sich wohl bewusst über den Wandel. Künftig sei eben noch mehr Flexibilität gefragt, sagt der Sprecher der Sektion Ludwigsburg, Uli Stark. Wenn kein Schnee liege, könne man immer noch wandern oder einen Klettersteig absolvieren. Der DAV, bei dem das Thema Klimaschutz eine immer wichtigere Rolle spielt, bietet deshalb mehr Aktivitäten vor der Haustür an, um weite Anfahrten zu vermeiden. „Der Winter bietet viele schöne Möglichkeiten, Schnee ist toll, aber wir können auch ohne“, sagt Stark.

Werden aus Skiclubs Wandervereine?

Zu bestehen, auch wenn im Winter kaum Flocken vom Himmel rieseln, darüber machen sich alle Vereine Gedanken. „Wir werden durchhalten, solange es geht, aber vielleicht werden aus manchen Skiclubs irgendwann Wander- oder Bergsportvereine“, so Bernd Beutel. „Das ist durchaus vorstellbar“, sagt auch Jochen Söder.