Nach den „durchweg negativen Reaktionen“ will SPD-Chefin Nahles den Fall Maaßen in der Koalition neu aufrollen. Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer sind dazu bereit.

Berlin - Es ist die Abkehr von einer höchst umstrittenen Koalitionseinigung: Der Unmut über die Beförderung von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen nach seiner Ablösung hat die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles am Freitag dazu veranlasst, neue Gespräche in der Sache zu fordern. In einem Brief an die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel sowie an Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer schrieb Nahles, dass im Fall Maaßen keine gute Lösung gefunden worden sei: „Die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass wir uns geirrt haben.“

 

Sowohl Seehofer als auch Merkel waren nach Angaben aus SPD-Kreisen vorab informiert – und ließen bereits kurz nach Bekanntwerden des Schreibens ihre Bereitschaft zu einem neuerlichen Treffen erkennen. „Die Bundeskanzlerin findet es richtig und angebracht, die anstehenden Fragen erneut zu bewerten und eine gemeinsame tragfähige Lösung zu finden“, teilte ihr Sprecher Steffen Seibert mit.

Die Fehlentscheidung der SPD spiegelt sich in den Umfragen

Die SPD-Führung hatte bereits am Donnerstagabend im Berliner Willy-Brandt-Haus über das weitere Vorgehen beraten und am Freitag in mehreren Telefonkonferenzen die kritische Lage besprochen. Parteiintern hatte Seehofers Entscheidung, für Maaßen als neuen Innenstaatssekretär den verdienten Baustaatssekretär Gunther Adler von der SPD zu opfern, besonderen Unmut ausgelöst, den Merkel mit der Zusage, für Adler einen neuen Posten zu finden, nicht eindämmen konnte. Vor allem aber waren es die vielen empörten Reaktionen und Zuschriften, die Handlungsdruck erzeugten und vielleicht dazu beitrugen, dass die SPD im aktuellen Deutschlandtrend mit 17 Prozent einen Prozentpunkt hinter der AfD rangiert.

„Wir haben Vertrauen verloren, statt es widerherzustellen“, schreibt Nahles in dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt: „Es ist offensichtlich mit dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen nicht vereinbar, dass Herr Maaßen als Ergebnis seiner Arbeit zwar abgezogen werden muss, gleichzeitig aber – wenn auch an anderer Stelle – befördert wird.“ All dies solle Anlass sein, „innezuhalten und die Verabredung zu überdenken“.

In der Südwest-SPD wurde Nahles’ Initiative begrüßt. Landeschefin Leni Breymaier sagte unserer Zeitung, sie sei „froh“ über den Brief, der ein „Ausdruck funktionierender Demokratie“ sei, da aus den Bürgerreaktionen Konsequenzen gezogen würden. Der frühere Vizeministerpräsident Nils Schmid erklärte, alle Koalitionsparteien müssten ein Interesse haben, den Bürgern Sacharbeit zu präsentieren.

Auch in der CDU wächst die Kritik

So äußerte sich auch der Nürtinger CDU-Parlamentarier Michael Hennrich: „Die Maaßen-Entscheidung diskreditiert die mühsame Sacharbeit.“ Sie lege „die Axt an die Akzeptanz politischer Institutionen“. Hennrich fordert Taten oder Konsequenzen: „Wenn die in der Regierung die Probleme nicht mehr in den Griff kriegen, dann müssen sie den Weg für neue Köpfe in der Regierung frei machen.“

SPD-Chefin Nahles will die Gespräche ebenfalls dazu nutzen, einen Neustart der gerade erst ein halbes Jahr alten Koalition zu erreichen. „Voraussetzung dafür ist auch eine vertrauensvolle und kooperative Zusammenarbeit“, heißt es im Brief: „Wir werden daher auch darüber reden müssen, wie wir Situationen wie vor der Sommerpause oder aktuell in Zukunft vermeiden.“ Diese Gespräche sollen – so hieß es in SPD-Kreisen – nicht nur in der Dreierkonstellation Merkel/Nahles/Seehofer stattfinden, sondern weiter gefasst werden.