Nach der Entmachtung des Parlaments spitzt sich der Konflikt in Venezuela zu. Am Samstag wollen Hunderttausende gegen Staatschef Maduro auf die Straße gehen. Dieser berief den Sicherheitsrat ein.

Caracas - Im Machtkampf in Venezuela lässt der sozialistische Präsident Nicolás Maduro die Entmachtung des Parlaments überprüfen. Nach harter Kritik auch in den eigenen Reihen beschloss der nationale Sicherheitsrat unter Maduros Vorsitz nach dreistündiger Sitzung, dass der Oberste Gerichtshof dieses Urteil sowie ein Urteil zur Aufhebung der Immunität der Abgeordneten unter die Lupe nehmen soll.

 

Das kann bedeuten, dass die Entscheidungen, die nach Meinung der Opposition den Weg in Richtung Diktatur ebnen, wieder rückgängig gemacht werden. Von einem Sieg der Verfassung sprach das Portal „El Nacional“.

Für Samstag waren Massendemonstrationen gegen die jüngste Eskalation geplant. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt ist unter Maduro in eine dramatische Versorgungskrise gerutscht, die Inflation ist die höchste der Welt. Maduro macht für den Mangel an Lebensmitteln, Brot und Medikamenten einen „Wirtschaftskrieg“ des Auslands verantwortlich und bat zuletzt sogar die Vereinten Nationen um die Lieferung von Medizin. Wegen der Geldentwertung des Bolívar können in Dollar und Euro abgerechnete Importe kaum noch bezahlt werden.

Gerichtshof entzog der Nationalversammlung ihre Kompetenzen

Die Opposition hatte die Parlamentswahl im Dezember 2015 mit einer Zweidrittel-Mehrheit gewonnen - mit Hilfe des von den Sozialisten kontrollierten Gerichtshofs wurden Parlamentsentscheidungen häufig annulliert und das Regieren Maduros mit Notstandsdekreten ausgebaut.

Der Sicherheitsrat betonte nach der Sitzung am Samstagmorgen, Ziel sei es, die „institutionelle Stabilität und das Gleichgewicht der staatlichen Gewalten“ aufrechtzuerhalten. Dies war auch eine Reaktion auf die massive Kritik der Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz, die das Urteil öffentlich als „Verfassungsbruch“ angeprangert hatte.

„Als oberste Repräsentantin des Ministerio Público, im Namen von 10 000 Mitarbeitern und fast 3000 Staatsanwälten, die in unabhängiger Weise ihre Aufgaben erfüllen, rufe ich zum Nachdenken auf, damit der demokratische Weg gewählt wird, dass die Verfassung respektiert wird“, hatte Ortega Díaz betont. Der Gerichtshof hatte am Mittwoch mit Urteil 156 entschieden, der Nationalversammlung ihre Kompetenzen zu entziehen und auf sich selbst zu übertragen. Außerdem hob das Gericht einen Tag zuvor bereits die Immunität der Abgeordneten auf.

Der Gerichtshof wird von einem vorbestraften Sozialisten geführt. Das Gericht warf dem Parlament Respektlosigkeit und unzureichende Zusammenarbeit mit den anderen Staatsgewalten vor. Das Parlament nannte das einen „Staatsstreich“ und sieht Maduro als Treiber dabei. Parlamentspräsident Julio Borges warnte vor einer Diktatur Maduros.

Deutsche Bundesregierung äußerte scharfe Kritik

Als Folge des Urteils bekommt der auch in eigenen Reihen umstrittene Nachfolger des 2013 verstorbenen Hugo Chávez eine enorme Machtfülle. Es ist aber unklar, ob zum Beispiel das Militär noch komplett hinter ihm steht. Das Land verfügt über die größten Ölreserven der Welt und ist eine wichtige Regionalmacht in Südamerika. Vor der Sitzung des Sicherheitsrats hatte der 54-Jährige das Urteil noch verteidigt: „Die Revolution wird sich konsolidieren.“ Er bezeichnete die Opposition als „rechte Putschisten“, die hätten schon Champagner kaltgestellt.

Für die deutsche Bundesregierung hatte Regierungssprecher Steffen Seibert scharfe Kritik geäußert: „Es ist unerträglich, wie Präsident Maduro die Bevölkerung seines Landes zur Geisel seiner eigenen Machtambitionen macht.“ Peru berief seinen Botschafter ab, Kolumbien und Chile beorderten ihre Vertreter zu Beratungen in die Heimat.

Unterdessen kam es in Caracas zu Repressalien und Festnahmen bei Protesten. Eine Rundfunkjournalistin wurde von bewaffneten Polizisten angegriffen, zu Boden geworfen und weggeschleppt. Sie wollte vor dem Gerichtshof über die Lage berichten. Die Venezolanerin arbeitet für den kolumbianischen Sender Caracol. Die Regierung in Bogotá verurteilte den Angriff scharf. In der Rangliste der Pressefreiheit lag Venezuela 2016 auf Platz 139 von 180 - im Februar wurde wegen missliebiger Berichte der US-Sender CNN abgeschaltet.