Der Herbst ist die Zeit, in der die Kehrwoche wieder besonders beschwerlich wird: Woher kommt diese Tradition? Ein Überblick über ein schwäbisches Kulturgut.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Der Herbst ist da, die ersten Blätter fallen: Jetzt beginnt die Zeit, in der die Kehrwoche wieder besonders beschwerlich wird. Das Laub muss beiseite gefegt, im nahenden Winter der Schnee vom Gehweg geräumt werden.  

 

Die Kehrwoche ist als typisch schwäbische Eigenart immer Objekt von Scherzen auf Kosten der als spießig verschrienen Schwaben – oder von diesen selbst. Oft wird die Kehrwoche als Exempel für die sprichwörtliche württembergische Kleinbürgerlichkeit verwendet. Dies rührt vielleicht auch daher, dass die Nachbarschaft eine ausgeprägte Erwartungshaltung hinsichtlich Umfang und Intensität der Reinigungsarbeiten hat.

Wir geben einen Überblick, was es mit der Kehrwoche auf sich hat:

Wer hat sie erfunden? Und wann?

Darum wird nicht nur beim schweizer Kräuterbonbon, sondern auch bei der schwäbischen Kehrwoche redlich gestritten.

Böse Zungen behaupten gar, dass der Putzfimmel der Schwaben seinen Ursprung in Frankreich hat. Als Napoleon regierte, erließ er viele Bestimmungen zur Reinhaltung der Straßen und Häuser. In diese Zeit der Vereinheitlichung des französischen Rechts, das auch in den von Napoleon an Frankreich angegliederten Gebieten seine Geltung hatte – also auch in Baden – , ließe sich die Einführung der Kehrwoche einordnen. Ob man da beim Nachbarn gespickelt hat? Aber diese Vermutung kehren Schwaben freilich gern unter den Teppich.

Die gängigere und beliebtere Meinung ist die, dass die schwäbische oder württembergische Kehrwoche auf einer Vielzahl von Erlassen beruht, die seit Ende des 15. Jahrhunderts in Württemberg herausgekommen sind, um die Menschen zu Ordnung und Sauberkeit im häuslichen Umfeld anzuhalten. So stand bereits im Stuttgarter Stadtrecht von 1492, das Graf Eberhard im Barte aufgesetzt hatte: „Damit die Stadt rein erhalten wird, soll jeder seinen Mist alle Wochen hinausführen, (...) jeder seinen Winkel alle vierzehn Tage, doch nur bei Nacht, sauber ausräumen lassen und an der Straße nie einen anlegen. Wer kein eigenes Sprechhaus (WC) hat, muss den Unrath jede Nacht an den Bach tragen“.

Doch was hat es dann mit dem Jahr 1714 auf sich? Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg erließ damals das erste eigenständige Gesetz zur Sauberkeit, nämlich die erste Stuttgarter Gassensäuberungsordnung, die sieben Seiten umfasst und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart einzusehen ist. Der Herzog hatte feststellt, dass „gar solch nützliche Verordnungen nun bei geraumen Jahren her aus den Augen gesetzt“ waren. Das heißt: Niemand hielt sich mehr an die Vorgaben zur Ordnung und Sauberkeit in der Stadt. Das galt es zu ändern – und das gelang nachhaltig: Heute ist in Stuttgart die Kehrwoche im Mietvertrag geregelt.

 

Das Aus für die Kehrwoche 

Als geradezu frevelhaft wurde von vielen Stuttgartern der Beschluss vom 17. Dezember 1988 angesehen. An diesem Tag nämlich hat Manfred Rommel, seines Zeichens Oberbürgermeister der Stadt, die Kehrwoche für öffentliche Straßen und Gehwege abgeschafft.

Zuvor gab es exakte Regeln in einer Satzung über „das Reinigen, Räumen und Bestreuen der Gehwege“. Die Bürger hatten die Auflage gehabt, „mindestens einmal wöchentlich“ zu fegen. Wer sich nicht daran hielt, dem konnte ein Ordnungsgeld zwischen fünf und tausend Mark angedroht werden.

Doch in jenem Dezember 1988 haben die Stadtväter beschlossen – mit nur einer Gegenstimme vom damaligen Stadtrat Rudolf Bläser – , dass nur noch „bei Bedarf“ gekehrt werden muss. Die Empörung war groß. Die Stuttgarter beharrten auf ihr Recht auf die Kehrwoche. Schließlich gehöre die zum Schwaben wie der Trollinger oder die Spätzle. Da half es auch wenig, dass der CDU-Fraktionschef Heinz Bühler beschwichtigend sagte, dass „schwäbische Frauen für Sauberkeit sind, das braucht man denen nicht durch eine Polizeiverordnung zu sagen“. Auch die Beteuerung von Rommel „Wir können die Kehrwoche ja wieder einführen, wenn Stuttgart zu schmutzig wird“, besänftigte die Gemüter kaum. Aber, den Kehrwochen-Wütigen sei’s ein Trost: Es gibt die Kehrwoche noch, vielen Mietern wird sie durch den Mietvertrag auferlegt.

Die moderne Kehrwoche

Fast 300 Jahren lang wurde die Kehrwoche mit Besen und Schaufel gemacht. Doch in den 1990er Jahren setzte die Technisierung des Kehrdienstes ein. Ein schwäbischer Motorsägenhersteller aus Waiblingen brachte sogenannte Laubbläser auf den Markt. Sie wurden als „windige Putzhilfe“ und „Konkurrenz zu Besen und Rechen“ gefeiert – der Schwabe aber betrachtet die Technisierung skeptisch, sogar die elektrische Schneeschippe. Unternehmen, die heute oft den Kehrwochendienst für die Mieter übernehmen, nutzen sie aber gerne. Der Besa ist und bleibt aber unabdingbar! Auf die nächsten 300 Jahre!