Pest-Epidemien rafften in der Geschichte Millionen Menschen dahin. Doch schon lange bevor der Schwarze Tod im 14. Jahrhundert nach Europa kam, hatte es schon vor 5000 Jahren in der Spätjungsteinzeit wiederholt Ausbrüche der Pest gegeben.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die Pest ist Inbegriff ansteckender, todbringender Krankheiten. Der Pesterreger Yersinia pestis stammte ursprünglich aus Asien und wurde mehrfach über den Seehandel und die Seidenstraße aus dem Osten nach Europa eingeschleppt. Dort angekommen, wurden Ratten und ihre Flöhe zu den Hauptüberträgern der Seuche.

 

Der Schwarze Tod kommt nach Europa

Seit den katastrophalen Pandemien des Mittelalters steht die Pest fast sprichwörtlich für Ansteckung und Tod. Mittlerweile ist bekannt, dass das Pestbakterium Yersinia pestis schon seit mehr als 5000 Jahren in Mittel- und Nordeuropa vorkommt. Allerdings ist unklar, ob es auch in seinen frühen Formen zu Pandemien und Massensterben führte.

Pest-Epidemien rafften in der Geschichte Millionen Menschen dahin. So starb von 1347 bis 1353 rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung an der Seuche. Schätzungen schwanken zwischen 20 und 50 Millionen Toten. Daneben gab es in der Spätantike, im Mittelalter und in der Neuzeit, vor allem in Kriegszeiten wie im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648, immer wieder regionale Pest-Ausbrüche.

Ausbruch der Pest in der Jungsteinzeit

Doch die Pest hatte schon lange vor diesen großen Epidemien die Bevölkerung des Kontinents dezimiert. Bereits während der Spätjungsteinzeit, dem Neolithikum, kam es zu wiederholten Ausbrüchen wie Forscher aus Kiel, Münster, Schleswig und Hamburg nachgewiesen haben.

Sie untersuchten dafür Knochen spätjungsteinzeitlicher Ackerbauern. „Unsere Analysen deuten eher auf vereinzelte Infektionen als auf Epidemien hin“, fasst Ben Krause-Kyora, Spezialist für alte DNA (aDNA) am Institut für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) die Ergebnisse zusammmen. Der Forscher ist Hauptautor der Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift „Communications Biology“ erschienen ist.

Für die Untersuchung hat das Forscherteam die Gebeine von insgesamt 133 Menschen aus spätjungsteinzeitlichen Großsteingräbern bei Warburg im Kreis Höxter (Nordrhein-Westfalen) genetisch untersucht. Die Gräber und Bestattungen werden zur sogenannten Wartberg-Kultur gezählt, die etwa in die Zeit vor 5500 bis 4800 Jahren datiert.

Für die Studie wurden die Knochen von 133 Menschen aus spätjungsteinzeitlichen Großsteingräbern bei Warburg genetisch untersucht. Bei zwei Individuen konnten sie den Pesterreger nachweisen. Foto: © Carsten Reckweg/SFB 1266/Uni Kiel

Nur wenige Pestnachweise in Großsteingräbern

In den Knochenproben von zwei der untersuchten Individuen haben die Wissenschaftler das Genom des Pest-Erregers Yersinia pestis nachgewiesen. Die  Erreger gehörten zu unterschiedlichen Bakterienstämmen.

Die zwei mit dem Pesterreger infizierten Personen waren nicht miteinander verwandt, lebten zu unterschiedlichen Zeiten und wurden in verschiedenen Großsteingräbern beerdigt. Das deutet darauf hin, dass es sich bei beiden Infektionen um unabhängige Ereignisse handelt und sich die Personen nicht gegenseitig angesteckt haben.

Keine Sammelbestattungen von Pest-Opfern

„Insgesamt sehen wir eine hohe Diversität von Yersinia pestis während der Jungsteinzeit. Dies könnte auf eine geringe Spezialisierung des Bakteriums in diesem frühen Entwicklungsstadium hinweisen. Das erleichterte möglicherweise ihr Überleben in verschiedenen Umgebungen und Tieren“, erklärt Krause-Kyora.

Das und die geringe Zahl der Pestnachweise bei 133 untersuchten Individuen zeigen, dass die Großsteingräber keine Sammelbestattungen von Opfern eines massiven Pestausbruchs darstellen. Ob die damaligen Formen von Yersinia pestis ähnlich schlimme Symptome wie im Mittelalter auslösten, ist nach wie vor ungeklärt.

Vorbereitung von Knochen aus archäologischen Ausgrabungen für die aDNA-Analyse im aDNA-Labor des Instituts für Klinische Molekurlarbiologie (IKMB) im Quincke-Forschungzentrum. Foto: © Jan Steffen/Cluster ROOTS/Uni Kiel

Natürliche Reservoirs für Yersinia pestis

Doch wie steckten sich die Menschen der Jungsteinzeit an? Anders als die mittelalterlichen Formen des Bakteriums konnten die jungsteinzeitlichen Erreger nicht von Flöhen oder Kleiderläusen übertragen worden sein.

Die Rodung von Wäldern veränderte in der Jungsteinzeit die Landschaften in Mittel- und Nordeuropa. Das zog eine Vielzahl neuer Nagetierarten aus östlich und südlich gelegenen Steppengebieten an. Sie könnten natürliche Reservoirs für Yersinia pestis gewesen sein.

Ben Krause-Kyora erklärt während der Kieler Woche 2024 einer Besucherin von „kieler uni live“ wie mittels alter DNA (aDNA) Krankheiten des Menschen über Jahrtausende zurückverfolgt werden können. Foto: © Jan Steffen/Cluster ROOTS/Uni Kiel

Hund als möglicher Überträger

„Wir wissen aber nicht, wie häufig Menschen mit diesen Tieren oder ihren Kadavern in Kontakt kamen“, betont Krause-Kyora. Ein Indiz für einen möglichen Übertragungsweg lieferten bereits veröffentlichte genomische Daten aus der Knochenprobe eines jungsteinzeitlichen Hundes aus Schweden. Als das Kieler Forscherteam die Daten erneut analysierte, zeigte sich, dass der Hund zum Zeitpunkt seines Todes auch mit dem Pestbakterium infiziert war.

„Das ist der erste Nachweis von Yersinia pestis bei einem jungsteinzeitlichen Hund. Da Hunde oft bei menschlichen Siedlungen der damaligen Zeit nachgewiesen sind, könnten sie eine Rolle bei einzelnen Infektionen spielen“, erläutert Ben Krause Kyora.

„Insgesamt deuten die Ergebnisse unserer Studie darauf hin, dass der Pesterreger schon häufig in oder bei menschlichen Siedlungen auftrat, dass er aber eher zu isolierten Infektionen als zu großflächigen Krankheitsausbrüchen führte“, resümiert Ben Krause-Kyora.

Info: Pest – Geißel der Menschheit

Yersenia pestis
Die Pest ist Inbegriff ansteckender, todbringender Krankheiten. Durch das Bakterium Yersenia pestis ausgelöste Pandemien rafften Millionen Menschen dahin. Daneben gab es in der Spätantike, im Mittelalter und in der Neuzeit immer wieder regionale Pest-Epidemien – auch in Süddeutschland. Historiker unterscheiden drei große weltweite Pest-Pandemien:

  • Justinianische Pest mit der ersten Welle in den Jahren 541 bis 544, auf die bis Mitte des 8. Jahrhunderts mehr als ein Dutzend weitere Wellen in Europa und im Mittelmeerraum folgten.
  • Schwarzer Tod, der Europa, Vorderasien und Nordafrika im 14. Jahrhundert heimsuchte.
  • Dritte Pandemie, die ab Ende des 19. Jahrhunderts in Süd- und Ostasien wütete und sich auch nach Madagaskar und Lateinamerika ausbreitete.

Schwarzer Tod
Besonders betroffen aber waren fast immer Hafenstädte und Ballungsgebiete. Die extreme Sterblichkeitsrate durch die großen Pestepidemien im 14. und 15. Jahrhundert führte auch in Süddeutschland zu verheerenden Bevölkerungsverlusten. So wurde die Bevölkerung in Württemberg und der Pfalz bis zu 50 Prozent dezimiert. In Bayern, Schwaben und Franken starben zwischen 30 und 50 Prozent der Bewohner.

Epidemien
Doch war es wirklich immer die durch das Bakterium Yersinia pestis ausgelöste Infektionskrankheit? Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit grassierte mehr als eine Seuche. Ruhr, Infektionen der Atmungsorgane, Tuberkulose, Typhus, Grippe, Masern, Pocken, Cholera, Lepra: Eine Epidemie folgte über Jahrhunderte in Europa der nächsten. Um welchen Erreger es sich konkret handelte, lässt sich heute – auch aufgrund der oft mageren Quellenlage – kaum noch rekonstruieren. Vor allem in Kriegszeiten wie während des Dreißigjährigen Krieges 1618 bis 1648 wüteten Pest und Fleckfieber – auch Kriegspest genannt. Erreger der durch Läuse und Flöhe übertragenen Infektion sind Bakterien der Gattung Rickettsien. 1633 bis 1635 gehören zu den schlimmsten Pestjahren in der deutschen Geschichte. So starben nach der Schlacht von Nördlingen im August 1643 Tausende an der Pest.