Die sogenannten Tiny Houses sollen das Leben in den eigenen vier Wänden bezahlbar machen und zusätzlichen Wohnraum schaffen. Im Kreis Esslingen hält sich das Interesse an dem Modell aber in Grenzen – auch bei den zuständigen Ämtern.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Esslingen - Die einen sprechen – etwas despektierlich – von „motorlosen Wohnmobilen“, andere bezeichnen sie liebevoll als ihre „mobile Immobilie“. Die sogenannten Tiny Houses, was sich am treffendsten mit „winzige Häuschen“ übersetzen lässt, sind in den vergangenen Jahren – angesichts fehlenden Wohnraums und explodierender Immobilienpreise – als mögliche Alternative angepriesen worden: schnell zu planen und zu bauen, leicht versetzbar, überschaubarer Flächenbedarf, vertretbare Preise.

 

Doch ein wirklicher Run auf die Tiny Houses ist ausgeblieben. Gleichwohl scheint nun zumindest etwas Bewegung in die Geschichte zu kommen. In Winnenden im Rems-Murr-Kreis ist in den ersten Planentwürfen für ein neues Wohngebiet ein Areal vorgesehen, auf dem die kleinen Häuser entstehen könnten. Und auch in Schorndorf gibt es Überlegungen, freie Flächen in der Kernstadt übergangsweise für derartige Bauten zur Verfügung zu stellen. Im Kreis Göppingen sucht die Stadt Eislingen offensiv nach Flächen für Tiny Houses. Ebenso die Gemeinde Bad Ditzenbach, die sich auf brachliegenden Grundstücken eine solche Nutzung vorstellen könnte.

Rechtliche Rahmenbedingungen wie beim Bau eines Einfamilienhauses

Im Kreis Esslingen gibt es indes keine derartigen Überlegungen. Christina Werstein, die im Landratsamt den Bereich Bauen und Naturschutz verantwortet, spricht von einem „geringen Interesse“. Aktuell gebe es in den 32 der 44 Kreiskommunen, für die ihre Behörde baurechtlich zuständig sei, nur ein laufendes Verfahren. Im Jahr 2018 habe man lediglich eine einzige unverbindliche Anfrage bekommen.

Ein Grund dafür könnte sein, dass für ein Tiny House dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen gelten wie beim Bau eines Einfamilienhauses. „Es gibt dafür keine erleichterte Gesetzgebung“, sagt Werstein. Es bedürfe einer Baugenehmigung, und die Vorgaben des Bebauungsplans seien ebenso maßgebend wie die Einhaltung der Brandschutzvorschriften und der Abstandsflächen, ergänzt sie. Lediglich ein sogenanntes Vereinfachtes Verfahren könne eingereicht werden, mit einem reduzierten Prüfungsumfang für die Baurechtsbehörde.

Was Christina Werstein ausführt, gilt dabei sowohl für Tiny Houses, die fest auf dem Boden stehen und mittels eines Tiefladers transportiert werden müssen, wie auch für solche, die eigene Räder haben. Entscheidend ist in Deutschland nicht die Mobilitätsform, sondern die Wohndauer. Wer sein Minihaus mehr als drei Monate am selben Fleck abstellen möchte, benötigt eine Baugenehmigung: Lediglich für ein Tiny House, das auf einem Campingplatz aufgestellt werden würde, entfällt diese.

Peter Hepperle: Aus meiner Sicht ist das eine Frage des Willens

Peter Hepperle sieht just in dieser „baurechtlichen Einordnung“ das Problem, warum die winzigen Häuschen keinen Boom erleben. Der Zimmerermeister aus Neidlingen plant und baut selbst Tiny Houses, und zwar richtige aus Holz, die massiv und auch energetisch auf dem Stand der Zeit seien. „Ich bin ja Zimmermann und kein Schachtelfalter“, betont er. Dass seine Objekte nicht Wohnwagen, sondern vielmehr Häuser seien, kann sein Sohn Tim aus eigener Erfahrung bestätigen.

Das 21 Quadratmeter große Eigenheim des 21-Jährigen steht auf einem Bauernhof unweit von Biberach, wo Tim Hepperle studiert. „Es lebt sich sehr gut in meinem Häuschen, und mittlerweile sind auch sämtliche Anschlüsse gelegt, die’s braucht: Strom, Wasser, Abwasser – alles da.“ Auf einer innerörtlichen, bereits erschlossenen Fläche mitsamt Infrastruktur wäre die Sache aber noch einfacher umzusetzen, fügt er hinzu. „Und wenn’s mehrere sind, könnte etwa eine Heizzentrale für echte Nachhaltigkeit sorgen“, sagt er.

Sein Vater hält eine Zwischenlösung in Baulücken deshalb für „eine gute Idee“. Davon gebe es jede Menge – sowohl zwischen als auch auf bereits bestehenden Gebäuden, stellt er klar. Da die Tiny Houses flexibel seien, binde sich eine Kommune schließlich an nichts. „Aus meiner Sicht ist es deshalb eine Frage des Willens, und da sehe ich im Kreis Esslingen eher das Problem“, betont Peter Hepperle.

Allgemeiner Tenor: Die Nachfrage ist überschaubar

Die zuständigen Stellen betrachten das völlig anders. Die Nachfrage sei äußerst überschaubar, heißt es allgemein. In Nürtingen und Ostfildern habe es bisher keine konkreten Anträge gegeben, teilen die Rathäuser mit. Wolfgang Kissling, der Leiter des Verbandsbauamts Plochingen/Altbach/Deizisau, spricht von „zwei bis drei Anrufen“. Er sehe die Tiny Houses eher als Modell für den ländlichen als für den verdichteten Raum. „Bei uns müsste man die Häuschen ja wie in einem Hochregallager aufeinanderstapeln“, erklärt Kissling. Geeignete Gebiete im Verwaltungsverband kenne er jedenfalls keine.

In Esslingen, wo ein Tiny House 2018 mit dem Preis der Architektenkammer Baden-Württemberg für beispielhaftes Bauen ausgezeichnet wurde, gebe es zwar ab und zu ebenfalls Anfragen, teilt der Baurechtsamtsleiter Roland Böhm mit. „Wir haben aber nur zwei dieser Häuser in Bebauungsplangebieten stehen.“ Für Flächen, die vom Zuschnitt her eher nicht bebaubar seien, halte er diese jedoch für eine Variante. „Auf Handtuchgrundstücken etwa ist das ganz gescheit“, findet Böhm.