Auch mehr als 14 600 stimmen können die Kultusministerin Eisenmann nicht umstimmen. In Sachen G9 gab die CDU-Politikerin dem Philologenverband nun einen Korb – obwohl ihre Partei im Wahlkampf für den Ausbau von G9 geworben hatte.

Stuttgart - Das Kultusministerium hat einer Petition der Gymnasiallehrer für eine Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium eine Absage erteilt. Man wolle sich auf das achtjährige Gymnasium konzentrieren, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Donnerstag, nachdem ihr der Philologenverband (PhV) mehr als 14 600 Unterschriften für die Wahlfreiheit übergeben hatte.

 

„Die Entscheidung ist für die kommenden fünf Jahre gefallen“, sagte die Christdemokratin, deren Partei im Wahlkampf noch für die Ausweitung von G9 geworben hatte. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Aktion des PhV kritisch. Sie warnt davor, das achtjährige Gymnasium schlecht zu reden. Der Landeselternbeirat (LEB) fordert insgesamt ein schlüssiges Konzept für das Gymnasium, besonders für die Förderung starker Schüler.

G9 an 44 Schulen möglich

Neunjährige Züge bis zum Abitur sind bislang nur im Rahmen eines Modellversuchs an 44 Schulen im Südwesten möglich. Außerdem gibt es den neunjährigen Weg zum Abitur über die Realschule und im Anschluss das berufliche Gymnasium, wie das Ministerium betonte. Eine „Rolle rückwärts“ werde es nicht geben. Das sehe auch der Koalitionsvertrag nicht vor. Die Arbeitgeber Baden-Württemberg forderten die Landesregierung auf, „dieses Fass dauerhaft geschlossen zu halten“. Es dürfe in der Schulpolitik des Landes keine neue Strukturdebatte geben. Die Forderungen des PhV seien überflüssig, teuer und nicht sachgerecht, sagte Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick.

Für den PhV zeigen die Unterschriften hingegen, dass das Anliegen der Online-Petition von weiten Kreisen der Bevölkerung geteilt wird. „Die Ministerin ist nun aufgefordert, sich über die vielleicht vorschnell und unbedacht getroffenen Festlegungen des Koalitionsvertrags hinweg gesprächsbereit zu erweisen“, sagte der Initiator der Petition vom PhV, Cord Santelmann. Drei Viertel der rund 400 Gymnasien im Land würden sich für die neunjährigen Weg entscheiden, wenn das möglich wäre. Auch in anderen Bundesländern öffne man sich für mehr neunjährige Züge oder habe bereits wieder umgestellt wie in Niedersachsen. Das bayerische Kabinett hatte vergangene Woche beschlossen, dass Schulen frei entscheiden dürfen, ob sie ab dem Schuljahr 2018/19 auf ein neunjähriges Modell wechseln.

17-Jährige zu orientierungslos?

Die ehemalige Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hatte das achtjährige Gymnasium 2004/05 im Südwesten eingeführt, damit die jungen Menschen früher nach dem Studium ins Berufsleben starten können. „Die Rechnung von Frau Schavan ist nicht aufgegangen“, sagte PhV-Landeschef Bernd Saur. Denn 17 Jahre alte Abiturienten seien noch orientierungslos und nähmen erst mal eine Auszeit oder betätigten sich in einem Freiwilligendienst, bevor sie studierten. Die Unterschriftensammlung, an der sich 13 331 Baden-Württemberger beteiligten, geht auch an den Petitionsausschuss des Landtags.

GEW-Landeschefin Doro Moritz betonte: „Wer sich vorbehaltlos für ein Zurück zu G9 ausspricht, erweckt den Eindruck, dass das G8 generell schlecht sei.“ Sehr viele Gymnasien hätten ein gutes Konzept für G8 entwickelt. Eine Studie der Uni Tübingen zeige, dass die Leistungen der Schüler im verkürzten Gymnasium nicht schlechter seien als die derjenigen, die nach neun Jahren das Abitur ablegen. Überdies entziehe G9 Realschulen und Gemeinschaftsschulen leistungsstarke Schüler und schwäche die beruflichen Gymnasien.

Die GEW erwartet, dass das G8 weiterentwickelt und dabei das noch unter Kultusminister Andreas Stoch (SPD) erarbeitete Papier „Gymnasium 2020“ einbezogen wird. Das fordert auch der LEB, dem es eher um die Qualität des Unterrichts geht als um die Ausweitung von G9. Das Gymnasium wird aus Sicht des LEB-Chefs Carsten Rees zwischen der von der CDU protegierten Realschule und der von den Grünen favorisierten Gemeinschaftsschule zerrieben. „Wir sehen dringenden Handlungsbedarf beim Gymnasium.“ Es fehle an Ideen für die Förderung sowohl von schwachen als auch von starken Schülern. Die Eltern wünschten sich auch ein System mit Grund- und Leistungskursen in einer zeitlich flexiblen Oberstufe.