CDU, CSU, FDP und Grüne können sich trotz wochenlanger Verhandlungen nicht darauf verständigen, Koalitionsgespräche aufzunehmen. Kurz vor Mitternacht zog sich die FDP aus den Gesprächen zurück.

Berlin - Trotz wochenlanger Beratungen haben sich CDU, CSU, FDP und Grüne nicht darauf verständigen können, Koalitionsgespräche aufzunehmen. Kurz vor Mitternacht zogen sich die Liberalen aus den Gesprächen zurück. Es sei „besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte FDP-Chef Christian Lindner, gezeichnet von den stundenlangen Beratungen. Seine Partei habe seit Beginn der Verhandlungen „zahlreiche Angebote zu Kompromissen“ gemacht, sagte der FDP-Chef, der damit dem Vorwurf begegnete, seine Partei habe es auf ein Scheitern angelegt.

 

Er sei sich bewusst, dass Politik vom Ausgleich lebe und die FDP mit knapp 11 Prozent der Stimmen den anderen nicht die eigene Agenda aufzwingen könne. Aber am Ende habe ein „Papier mit zahlreichen Widersprüchen vorgelegen. Und die getroffenen Übereinkünfte seien „mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen“ erkauft worden. CDU, CSU, FDP und Grüne hätten seiner Ansicht nach „keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes gefunden.“ Den „Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten“, weil die FDP gezwungen würde, ihre Grundsätze aufzugeben. Es sei außerdem auch keine Vertrauensbasis gewachsen, mit der im Falle einer gemeinsamen Regierung auch unvorhersehbare Krisen hätten bewältigt werden können. Auf die Frage, ob dies verantwortungsvoll sei, antwortete Lindners Stellvertreter Wolfgang Kubicki: „Sonst hätten wir es nicht gemacht.“

SPD lehnte Regierungsbeteiligung erneut ab

Zuvor hatten die Parteiführungen in der Berliner Baden-Württemberg-Vertretung einen letzten Anlauf unternommen. Zwischenzeitlich war von Fortschritten bei unterschiedlichen Themenfeldern die Rede, allerdings hieß es stets, die Einigung hänge am seidenen Faden. Mit einem Bekenntnis zur Verantwortung für das Land hatten die Jamaika-Unterhändler die Verhandlungen am Vormittag begonnen. Zentraler Streitpunkt war bis zuletzt das Thema Migration. CDU, CSU und FDP wollen eine Begrenzung der Zuwanderung. Um diesen Punkt habe es neben den Themen Klima, Energie und Finanzen die größten Diskussionen gegeben.

Die große Koalition von Union und SPD hatte den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus 2016 für zwei Jahre bis zum März 2018 ausgesetzt. Die Grünen verlangten, dass er anschließend wieder zugelassen wird. CDU, FDP und vor allem CSU lehnten dies ab. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner hatte vor Lindners Statement im ZDF-„heute journal“ ebenfalls eine gemeinsame Grundlage angemahnt. Die Grünen bemühten sich darum ernsthaft. Aber vor allem CSU und FDP „geben sich beide Mühe, keine einfachen Partner zu sein“.

Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz lehnte am Sonntagnachmittag für den Fall eines Scheiterns erneut eine Regierungsbeteiligung seiner Partei ab. „Der Wähler hat die große Koalition abgewählt“, sagte er bei einer SPD-Konferenz. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Sonntag alle Seiten aufgefordert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Es bestehe kein Anlass für „panische Neuwahldebatten“. Der „Welt am Sonntag“ sagte Steinmeier: „Wenn jetzt von den Jamaika-Verhandlern hart um große Fragen wie Migration und Klimaschutz gerungen wird, muss das kein Nachteil für die Demokratie sein.“

CSU-Chef Horst Seehofer hatte vor Beginn der Verhandlung betont, seine Partei sei „willens, eine stabile Regierung zu bilden“. Grünen-Chef Cem Özdemir hatte mit Blick auf die weltweiten Krisen und den stärker werdenden Rechtspopulismus in Europa gemahnt, man müsse bereit sein, sich zu bewegen, aus Verantwortung oder auch „Patriotismus für das Land“.