Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) hatte für die Annahme eines Vergleichs zwischen Stadt und EnBW geworben. Sein Appell ist nicht erhört worden.

Die von OB Frank Nopper (CDU) beworbene Vereinbarung mit der Energie Baden-Württemberg (EnBW), die die Übernahme des Wassernetzes durch die Stadt 2043 sichern soll, ist vorerst gescheitert. Die Mehrheit des Gemeinderates hat am Mittwoch Bedenken gegen den Deal vorgebracht und Nachverhandlungen gefordert. Das Thema ist auf 2023 verschoben, der Termin unbestimmt.

 

Rat übernahm Bürgerbegehren

Mit dem Kauf des Wassernetzes soll die Forderung aus einem vom Rat 2010 angenommenen Bürgerbegehren erfüllt werden, seit 2013 hängt der Streit beim Landgericht. Knackpunkt ist vor allem der Preis, den das Gericht bei 348 Millionen Euro sah. Die EnBW will mehr. Beide Parteien haben bisher kein Urteil angestrebt.

Man habe 18 Monate verhandelt und mit der Übernahme 2043 einen „absolut überzeugenden Vergleichsvorschlag gefunden“, warb Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) für die Annahme. Ihn treiben die Kosten um. Die Stadt stehe mit dem Anspruch, 2035 klimaneutral sein zu wollen, der Opernsanierung und absehbar hohen Verlusten bei den SSB vor „exorbitanten finanziellen Herausforderungen“. Das Wassernetz sei heute „in sehr guten Händen“, so Fuhrmann, aber man werde nun mit der EnBW sprechen.

Zufriedenheit mit Wasserqualität

Die Zufriedenheit mit der Wasserqualität und der Betriebsführung betonten alle Fraktionen. Die Bedingungen für die Beschäftigten sollen sich bei einer Übernahme des Wasserbetriebs nicht verschlechtern. CDU, FDP, Freie Wähler und AfD (25 von 60 Sitzen) wollen dem Vergleich zustimmen. Er fixiert die Wertfeststellung erst 2043 auf der Basis des subjektiven Ertragswerts. Der Stadt werden bis dahin zwei von sechs Sitzen in einem neuen Aufsichtsrat der EnBW-Tochter Netze BW Wasser eingeräumt. Sollte der Anteil öffentlicher Anteilseigener an der EnBW unter 50 Prozent sinken, könnte die Stadt die sofortige Herausgabe des Netzes verlangen. Mit dem Verhandlungsergebnis sei das Ziel des Bürgerbegehrens erreichbar, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, man drehe aber „gern noch eine Runde“, schließlich solle die Vereinbarung ja 20 Jahre halten. FDP-Fraktionschef Matthias Oechsner lobte, der Vergleich sei „sehr gut“. „Ein guter Kompromiss“, sagte Rose von Stein für die Freien Wähler. Zustimmung, signalisierte auch Frank Ebel für die AfD.

Grüne: 20 Jahre sind zu lang

Die Grünen goutieren, dass „Bewegung in die Sache kommt“, so Sprecherin Petra Rühle. Aber es gebe weiteren Verhandlungsbedarf. 20 Jahre Wartezeit sei „definitiv zu lang“, die Eingriffsmöglichkeit bei einer Privatisierung der EnBW zu vage. Die Grünen fordern, den Wert des Wasser-Unternehmens jetzt zu ermitteln. Rühle vermutet, dass die Stadt über den Aufsichtsrat weder auf das operative Geschäft noch den Wasserpreis Einfluss nehmen könne.

Die Sozialdemokraten und das Linksbündnis im Rat fordern, den Wasserbetrieb sofort zu übernehmen. Mit dem von Nopper vorgelegten Vergleich „pokern wir auf die Rechtslage in 20 Jahren“, so SPD-Sprecherin Jasmin Meergans. Nicht befriedigend sei auch, dass die Stadt nach dem Netzkauf die dazugehörigen Grundstücke dauerhaft von Netze BW pachten müsse. Diesen Umstand erwähnt der Vergleich nicht explizit. Ihn hatte Bürgermeister Fuhrmann in der nichtöffentlichen Beantwortung eines Fragenkataloges kurz vor der Sitzung mitgeteilt. Netze BW stehe ein „angemessenes Entgelt zu“, heißt es in der Antwort auf Frage elf.

Vorschlag: Druck auf EnBW machen

Die EnBW hatte zunächst 626 und zuletzt 480 Millionen Euro für das Netz verlangt. Das seien „Mondpreise“, so Linksbündnis-Chef Hannes Rockenbauch, der Konzern sei nicht bereit, den Preisvorschlag des Landgerichts zu akzeptieren. Ein Bürgerbegehren erst nach 33 Jahren umzusetzen sei nicht angemessen. Rockenbauch beschrieb „Daumenschrauben“, die die Stadt dem Konzern in den Verhandlungen zeigen könne. Denn der wolle Planungsgewinne aus der Verwertung von Gewerbebrachen im Stöckach und entlang des Neckars abschöpfen. Dazu brauche er die Stadt für Bebauungspläne.

Für Christoph Ozasek von der Fraktion Puls führt der von Nopper vorgelegte Vergleich zu einem „kompletten Blindflug“. Die Stadt überlasse der EnBW die jährliche Preisfestsetzung für das Trinkwasser, womit der Wert der in 20 Jahren zu erwerbenden Gesellschaft erheblich steige. Mit der späteren Pacht auf die Wasser-Grundstücke erhalten die EnBW zu dem „eine Gelddruckmaschine“. Ozasek rät der Stadt zur Eskalation auf einem anderen Feld: Beim Gerichtsstreit um das Fernwärmenetz mit der EnBW wurde in letzter Instanz festgestellt, dass die Stadt von der EnBW den Ausbau des Netzes verlangen darf. Die Streitparteien beantragten Revision. Die Stadt solle ihre zurückziehen und den Netzausbau verlangen, so Ozasek.