Keine Panik in der Klinik Was bei Angst vor einer OP hilft

Angst vor dem Eingriff? Das muss nicht sein. Foto: Svitlana - stock.adobe.com

Bei manchen Patienten geht die Panik so weit, dass sie noch vor der Operation aus dem Krankenhaus flüchten. Angst vor einer Narkose oder einem Eingriff sei ganz normal, sagen Mediziner. Es gibt aber Wege, sie zu lindern.

Operationen waren Martina schon immer unheimlich gewesen. Lange hatte sie das Glück, dass bei ihr kein Eingriff nötig war. Doch als sie eines Tages unglücklich stürzte, änderte sich die Lage schlagartig: Ihr Handgelenk war zertrümmert, eine Operation unvermeidbar – was bei ihr arge Beklemmungen auslöste. „Ich hatte so große Angst vor einer Vollnarkose, mein ganzes Leben hatte ich die“, berichtet sie. Warum, weiß sie nicht. „Es war einfach die Angst vor dem Kontrollverlust.“ In ihrem Fall war zwar ein Eingriff in Regionalanästhesie möglich, wegen größerer Risiken aber nicht empfehlenswert, wie ihr der Narkosearzt erklärte. „Alles in allem war er so einfühlsam und vertrauenerweckend, dass ich mich doch für die Vollnarkose entschieden habe.“

 

Eine anstehende Operation löst häufig Ängste aus. Manchen Menschen ist nur etwas bang zumute, andere haben schlimmste Befürchtungen. Immer wieder wenden sich deshalb Betroffene an die Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). „Vielen geht es dabei um die Narkose“, sagt der Ärztliche Leiter Johannes Schenkel. „Andere fürchten sich vor Komplikationen, vor Schmerzen oder auch vor schlechten Nachrichten.“ Zum Beispiel könnte eine Operation die Gewissheit bringen, an Krebs zu leiden. Im Gespräch geht es zunächst darum, dahinterzukommen, wovor genau sich die Patientinnen und Patienten fürchten. „Wichtig ist außerdem, grundsätzlich zu vermitteln: Es ist ganz normal, vor einer Operation Angst zu haben.“

Angst, während der OP aufzuwachen – oder aber danach nicht mehr aufzuwachen

Wie verbreitet solche Ängste sind, weiß auch Professorin Grietje Beck, Direktorin der Klinik für Anästhesie, Operative Intensiv- und Schmerzmedizin am Universitätsklinikum Mannheim. Studien zufolge hätten mehr als die Hälfte der Patienten in irgendeiner Weise Angst vor der Kombination aus Anästhesie und Operation, berichtet sie. Was ihnen dabei genau Furcht einflößt, ist ganz unterschiedlich. „Die Ängste sind oft recht komplex“, sagt sie. Geht es um die Narkose, so haben manche Menschen Sorgen, dass sie während des Eingriffs zu sich kommen könnten. Andere befürchten dagegen, nie mehr aufzuwachen. „Eine große Rolle spielt, dass Patienten oft nicht verstehen, was bei einer Narkose genau passiert“, sagt Beck.

Wie in Martinas Fall können heute viele Eingriffe in Teilnarkose durchgeführt werden. Es ist aber nicht so, dass eine solche Regionalanästhesie grundsätzlich weniger Angst auslöst, wie Beck berichtet: „Die Ängste sind dann nur anderer Art. Zum Beispiel fürchten sich manche Patienten davor, dass sie nicht richtig wirkt.“

Manchmal ist die Furcht so groß, dass Patienten erst gar nicht zum OP-Termin erscheinen. „Es kommt sogar vor, dass jemand noch kurz vor dem Eingriff die Flucht ergreift“, berichtet der Greifswalder Orthopäde Professor Georgi Wassilew, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik. „Das geschieht dann meistens unter einem Vorwand.“ Er vergleicht die Angst vor dem Eingriff mit Flugphobie: Der erste Schritt, sie zu überwinden, besteht darin, sich an Bord – also in die Klinik – zu begeben. Der zweite ist, zur Operation anzutreten – und nicht sozusagen vor dem Start auszusteigen. Ist die Furcht so groß, dass man einen Eingriff immer wieder aufschiebt, sollte man sich professionelle Hilfe suchen.

Dabei sind starke Ängste nicht nur belastend, sondern haben auch negative Auswirkungen auf die Operation. Betroffene brauchen mitunter mehr Narkosemittel, zudem kann es leichter zu Übelkeit während des Eingriffs kommen. Auch danach leiden Angst-Patienten stärker: „Sie erleben Schmerzen intensiver“, berichtet Wassilew.

Unbedingt den Ärzten die Sorgen schildern

Das beste Mittel gegen die Furcht lautet: das Gespräch mit dem Ärzteteam suchen. „Wir empfehlen, gegenüber den Ärzten zu kommunizieren, dass man Angst hat“, sagt Schenkel von der Stiftung UPD. Von Seiten der Mediziner ist bei den Vorgesprächen viel Zeit und Geduld gefragt. „Wir beruhigen und erklären“, sagt Beck. Was Narkoseverfahren anbetrifft, gibt es wenig Grund zum Fürchten: „Die Risiken sind gering.“

Auch von chirurgischer Seite können Ängste häufig zerstreut werden. Steht zum Beispiel der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks an, können Operateure Patienten mit der Aussicht auf bessere Zeiten Mut machen: „Der Eingriff ist mit der geringsten Komplikationsrate und dem größten Zugewinn an Lebensqualität verbunden“, sagt Wassilew. Falls es bei einem Eingriff doch zu Zwischenfällen – etwa unvorhergesehenen Blutungen – kommt, „können wir auf alles reagieren“.

Darüber hinaus gibt es für Betroffene viele Möglichkeiten, sich im Vorfeld eines Eingriffs zu beruhigen. Sinnvoll ist es, schon Wochen vorher Verfahren wie Meditation, Progressive Muskelentspannung oder Atemtechniken zu üben. Abgesehen davon kann das Schlafhormon Melatonin dazu beitragen, Ängste zu reduzieren. „Präoperativ wurden damit schon gute Effekte erzielt“, sagt Beck. Hilft das alles nicht, können Ärzte Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine (etwa „Midazolam“) verschreiben. „Gerade bei älteren Patienten ist man heute aber wegen der Nebenwirkungen vorsichtig.“ Solche Mittel können nämlich zu Tagesmüdigkeit sowie zu Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten führen.

Martina hat ihre Operation längst gut überstanden. Die Vollnarkose empfand sie rückblickend als gar nicht schlimm. „Die positiven Erfahrungen überwiegen.“ Sollte eines Tages wieder eine Narkose anstehen, wäre sie wahrscheinlich ruhiger, meint sie.

Beklemmungen lindern – ohne Medikamente

Kommunikation
Auf die ärztlichen Gespräche, die vor dem Eingriff stattfinden, sollten sich Patienten gut vorbereiten und mitteilen, was ihnen Angst macht. Wer bereits lange vor der Operation unter Ängsten leidet, kann sich auch an den Hausarzt, einen Psychologen oder eine Beratungsstelle wenden. Orientierung bietet unter anderem die Stiftung Unabhängige Patientenberatung, Telefon 0800 - 011 77 22.

Entspannung
Eine einfache Art, sich zu beruhigen, sind Atemübungen. Bewährt hat sich unter anderem die „4711“-Methode: vier Sekunden einatmen, sieben Sekunden ausatmen – und das Ganze elf Minuten lang. Auch Meditation, Progressive Muskelentspannung und Hypnose können helfen, Ängste zu reduzieren.

Ablenkung
Musikhören wirkt entspannend. Vor dem Eingriff kann man sich mit Lieblingsliedern ablenken. Mehrere Studien belegen die Effektivität von Musik. Auch ein Buch oder Film helfen, nicht ständig an die Operation zu denken.

Vorsicht
Unbedingt vermeiden sollte man den Griff zur Zigarette. Rauchen kann zwar kurzfristig entspannen, vergrößert aber die Komplikationsrisiken. Außerdem sollte man vor dem Eingriff nicht auf eigene Faust Beruhigungsmittel nehmen.

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