Auf Strafzinsen müssen sich Privatkunden nicht einstellen – aber auf kürzere Öffnungszeiten. Die größte Genossenschaftsbank in Baden-Württemberg führt ein neues Konzept ein, bei dem ein Team künftig mehrere Zweigstellen betreut.

Stuttgart - Trotz des schwierigen Umfeldes hat die größte Volksbank im Südwesten das vergangene Jahr mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen. Die Volksbank Stuttgart eG konnte sowohl bei den Kundeneinlagen (5,2 Milliarden Euro, plus 6,7 Prozent) als auch bei den Kundenkrediten (3,9 Milliarden Euro, plus 2,4 Prozent) zulegen. „Damit ist es uns auch im Geschäftsjahr 2016 gelungen, trotz Nullzinsphase und der daraus resultierenden Kapitalmarktverwerfungen ein solides Ergebnis zu erzielen“, sagte Volksbank-Chef Hans R. Zeisl am Freitag in Stuttgart.

 

Eine baldige Zinswende erwartet Zeisl nicht. Mit Negativzinsen, wie sie andere Kreditinstitute bereits verlangen, müssten die eigenen Kunden aber nicht rechnen: „Wir wollen das im Bereich der Privatanleger so lange wie möglich vermeiden“, sagte Zeisl. „Vorstellbar“ wären solche Strafzinsen jedoch für Geschäftskunden mit Einlagen von mehr als einer Million Euro. Mit einer niedrigen einstelligen Zahl von Großkunden habe man dazu bereits heute individuelle Vereinbarungen getroffen.

Obwohl die Volksbank mittlerweile 0,4 Prozent Zinsen zahlen müsse, damit sie ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank „parken“ dürfe, sei das Zinsergebnis nur leicht gegenüber dem Vorjahr gesunken. Zeisl begründet das mit der guten Vorsorge, etwa der Refinanzierung zu deutlich niedrigeren Zinsen. Er sieht seine Bank vor allem dank der erneut gestiegenen Eigenkapitalquote (17,4 Prozent, 665 Millionen Euro) gut aufgestellt. „Damit machen wir uns wetterfest für die Kapitalanforderungen von morgen und schaffen neue Spielräume für die Unternehmensfinanzierung“, sagte der 62-jährige Vorstandschef. Mit Sorgen betrachtet er dagegen das rückläufige Provisionsergebnis. Die Gründe dafür seien die anhaltende Zurückhaltung der Kunden bei Wertpapierkäufen sowie das schleppende Geschäft mit Bausparverträgen.

Gutes Kapitalpolster ermöglicht Mittelstandsfinanzierung

Die weiter andauernde Niedrigzinsphase sei nur eine von vielen Unsicherheiten im Umfeld der Bankenbranche, die ohnehin durch zunehmende Regularien und die Digitalisierung belastet sei, so Zeisl. Das Genossenschaftsinstitut, das 280 000 Kunden in der Region Stuttgart und im Rems-Murr-Kreis betreut, versucht sich in diesem Umfeld vor allem durch Zusammenschlüsse mit kleineren Genossenschaftsinstituten zu behaupten: So wurden im vergangenen Jahr die Kerner Volksbank und die VR-Bank Weinstadt integriert. Heute erstreckt sich das Geschäftsgebiet der Bank von Gerlingen bis Lorch und umfasst neun Regionaldirektionen, 67 Filialen, 21 SB-Filialen (ohne Personal) sowie 15 Geldautomaten und zwei Raiffeisenmärkte.

Eine größere Zahl von Schließungen sei nicht geplant. „Wir wollen einen anderen Weg gehen als mancher Konkurrent“, sagte Zeisl. Wie dieser Weg aussieht, skizzierte der Vorstandschef knapp. So müssten sich Kunden darauf einstellen, künftig seltener als bisher in ihrer Filiale auf Servicemitarbeiter zu treffen. Denkbar sei beispielsweise, dass ein Team zwei Geschäftsstellen betreut. Das heißt: „Die Mitarbeiter sind am Montag, Mittwoch und Freitagvormittag in der einen Filiale und am Dienstag, Donnerstag und Freitagnachmittag in der anderen.“ Nähere Details nannte Zeisl am Freitag noch nicht. Das neue Konzept werde in den kommenden drei Jahren schrittweise eingeführt.

Immer mehr Kunden erledigen Bankgeschäfte per Smartphone

Die Veränderungen seien vor allem auf das veränderte Kundenverhalten zurückzuführen. Deutlich werde dies etwa beim Blick auf die Zahl der 2016 getätigten Online-Transaktionen: 63 Millionen Bankgeschäfte wurden übers Internet erledigt, davon knapp zehn Millionen mobil über die Smartphone-App (plus 63 Prozent). Man wolle die „regionale Nähe zum Kunden mit persönlicher Beratung“ allerdings auch in der digitalen Welt nicht aufgeben, verspricht Zeisl den Kunden.

Die Zahl der treuen Volksbank-Kunden ist im vergangenen Jahr nicht nur durch die beiden Fusionen weiter gestiegen. Das 151 Jahre alte Genossenschaftsinstitut, dass 2010 aus dem Zusammenschluss der Volksbanken Stuttgart und Rems entstanden ist, macht seine Kunden traditionell zu „Bankiers“: Sie können maximal fünf Anteile zum Preis von je 50 Euro erwerben. Die Zahl dieser Miteigentümer ist im vergangenen Jahr um 1900 auf 164 600 gestiegen. „Unser Ziel sind 200 000 Mitglieder bis zum Jahr 2020“, kündigte Zeisl an. Auch in diesem Jahr dürfen sich die Anteilseigner auf eine Dividende freuen – allerdings könnte diese leicht unter der des Vorjahres liegen. Damals erhielten die Mitglieder fünf Euro je Anteilsschein.