Verbraucherschützer triumphieren. Sie haben zum Thema Strafzinsen für viele Kleinsparer ein weitreichendes Urteil zugunsten der Verbraucher erstritten. Das Landgericht Tübingen hat die Volksbank Reutlingen zurecht in ihre Schranken gewiesen, meint Sabine Marquard in ihrem Kommentar.

Stuttgart - Das Urteil ist ein Signal. Die Volksbank Reutlingen darf ihre Normalsparer nicht damit überraschen, dass sie plötzlich im Preisaushang Negativzinsen auf Geldanlagekonten einführt. Privatkunden, die ihr Geld auf die Bank tragen in der Erwartung, dafür Zinsen zu erhalten – und seien sie noch so gering – wäre auch nicht begreiflich zu machen, wenn sie fürs Sparen zahlen müssten. Das hätte die Sparkultur auf den Kopf gestellt. Aber in Zeiten, in denen die Europäische Zentralbank von Kreditinstituten Negativzinsen verlangt, scheint vieles möglich geworden zu sein. Insofern hat der Streit zwischen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der Volksbank Reutlingen bundesweit für Aufsehen gesorgt.

 

Strafzinsen sind kein Einzelfall

Es geht längst nicht nur um das Reutlinger Institut. Zwar sind Strafzinsen für Verbraucher oder Verwahrentgelte, wie Banken sie nennen, kein Massenphänomen, sie sind aber auch kein Einzelfall mehr. Zunächst wurden Strafzinsen nur Unternehmenskunden oder institutionellen Anlegern in Rechnung gestellt, doch mittlerweile erreichen die Negativzinsen immer öfter auch gut gefüllte Tagesgeldkonten von Privatkunden. Die Volksbank Reutlingen war nur besonders dreist. Sie wollte Strafzinsen schon für 10 000 Euro Tagesgeld in Rechnung stellen.

Klein beigeben will die Volksbank Reutlingen nicht. Sie zieht aus dem Urteil den Schluss, dass sie bei Neuverträgen Strafzinsen erheben darf, wenn sie den Kunden darauf aufmerksam macht. Es liegt an den Kunden, ob sie das hinnehmen oder ihr Geld zu einer anderen Bank bringen. Ganz sicher wird das nicht das letzte Verfahren um Strafzinsen gewesen sein.

Zwar belastet die Nullzinspolitik der Zentralbank die Kreditinstitute, aber soweit, dass sie auf Minuszinsen bei Normalsparern angewiesen sind, ist es noch nicht. Wenn Banken und Sparkassen in den nächsten Wochen ihre Geschäftsergebnisse des vergangenen Jahres vorlegen, wird sich zeigen, dass die Erträge zwar abschmelzen aber immer noch solide sind. Das muss auch der Verbraucher spüren.