2016 wollen die Rolling Stones ein neues Album präsentieren. Jetzt meldet sich schon mal solo der Gitarrist Keith Richards zurück. Seine CD „Crosseyed Heart“ ist super gelungen, findet unser Musikkritiker Jan Ulrich Welke.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Als sich Keith Richards im Jahr 1992 von den Managern seiner Plattenfirma verabschiedete, denen er zuvor gerade sein fertig produziertes Soloalbum „Main Offender“ übergeben hatte, sagten diese zum Abschied bestimmt ein „jederzeit gerne wieder“. Und wenn, dann hat Richards sie beim Wort genommen, sich allerdings ein klitzekleines bisschen Zeit gegönnt: 23 Jahre. Der darf das, werden sie sein etwas längere Päuschen abgetan haben und freudestrahlend das an diesem Freitag erscheinende, nunmehr dritte Soloalbum des Gitarristen der Rolling Stones entgegengenommen haben. Und wen juckt auch schon die Wartezeit: Ein Verkaufserfolg ist angesichts der Prominenz des Künstlers und seiner weltweit riesigen Fangemeinde programmiert, und er darf sich für den real reichlich zerknautschten, aber munter vom Plattencover grienenden Musiker auch zu Recht einstellen.

 

Richtig gut hat Richards das gemacht, was er hier üppig auf fünfzehn Stücken mit versierten langjährigen Mitmusikern (dem Gitarristen Waddy Wachtel, dem Drummer Steve Jordan und dem Stones-Backgroundsänger Bernard Fowler) sowie so hochkarätigen wie exquisiten Gästen (der Jazzdiva Norah Jones und den Veteranen Aaron Neville und Spooner Oldham) zusammengestellt hat. Und vor allen Dingen: richtig vielfältig. Sanft schlittert der bald 72-Jährige mit einem Delta-Blues-Versatzstück in das Album hinein, schon bald serviert er ordentlichen Geradeausrock, kurz darauf sprenkelt in „Robbed blind“ gelassen ein Piano in die Ballade hinein, Ausflüge in Richtung Reggae („Lover overdue“) dürfen ebenfalls sein. Zwischendurch gibt’s im „Blues in the Morning“ einen herrlichen Muntermacher, ehe die Scheibe mit der kecken Countrywalzer-Coverversion „Goodnight, Irene“ auf die Zielgerade einbiegt, in der das altersweise „Lover’s Plea“ letztmals um Hörrespekt bittet.

Und die Rolling Stones bringen auch was Neues heraus

Ein begnadeter Saitenartist wird „der beste schlechteste Gitarrist der Welt“ (wie Alexis Korner ihn nannte) nie werden, und dass Keith Richards auf den bisherigen Stones-Alben nur selten singen durfte, ist nach wie vor so hinnehmbar wie nachzuvollziehen. Das mit der von allen Lebensfährnissen gegerbten Singstimme klappt bei ihm im Seniorenalter allerdings besser als je zuvor. Daneben ist erstaunlich, dass dieses Album trotz der sehr variablen Tempi und Stile niemals disparat klingt, sondern sehr stringent angelegt wirkt. Und noch verblüffender ist, dass dieser blendend durchhörbare und durch und durch gelungene Wurf an keiner Stelle wie ein Soloalbum eines Rolling-Stones-Gitarristen klingt; natürlich kann – und vermutlich will – er den Sound seiner Band nicht verleugnen, aber wie eine Adaption wirkt „Crosseyed Heart“ an keiner Stelle. Ganz im Gegenteil sind es die klassisch-getragenen Südstaatenbluesstücke aus seiner amerikanischen Wahlheimat, die dem Briten hier am besten zu (Furchen-)Gesicht stehen.

Einen feinen Job hat Keith Richards verrichtet und die nächste frohe Kunde sogleich hinterhergeschickt. Die Rolling Stones wollen im kommenden Jahr ein neues Album einspielen. Es wäre das erste seit zehn Jahren, die Herren arbeiten ebenfalls zurückgelehnt. Aber das hat sich die dienstälteste Rockband der Welt verdient.