Etwa 250 Helfer waren bei einer Übung in der US-Kaserne Kelley Barracks in Stuttgart im Einsatz. Dabei wurde ein Terroranschlag simuliert – inklusive Theaterblut und Hilfeschreie.

Stuttgart - Ein lauter Knall erschüttert am Samstagmorgen die Kelley Barracks in Möhringen. Drei amerikanische Soldaten rennen quer über das Gelände zur vermeintlichen Explosionsstelle und sondieren die Lage. Ihnen bietet sich ein Anblick des Grauens: Ein Glascontainer ist umgekippt, hat Splitter im ganzen Gebiet verteilt; ein Haus steht in Flammen, Verletzte schreien nach Hilfe, irgendwo strömt Gas aus. Kurze Zeit später ertönen Martinshörner, die ersten deutschen Feuerwehr- und Krankenwagen stehen zur Unterstützung am Haupttor des amerikanischen Militärstützpunktes bereit. Was aussehen soll wie ein terroristischer Anschlag auf die in Deutschland stationierten Amerikaner ist eine Katastrophenübung, die jährlich in einer der drei US-Kasernen in Stuttgart durchgeführt wird.

 

Während die Arbeit der Hilfskräfte nach der vermeintlichen Explosion beginnt, kann sich Claudia Seher schon entspannt zurücklehnen. Zwei Stunden zuvor war sie bereits auf dem Gelände und hat auf Bierzeltgarnituren in der Turnhalle Schminktöpfe und verschiedene Plasten bereitgestellt. Seher ist von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Sie ist für die realistische Unfalldarstellung zuständig und hat an diesem Morgen Prellungen am Bauch und offene Kopfplatzwunden an den 45 Opfern geschminkt. „Die Wunden müssen realistisch aussehen und zu dem Unfallszenario passen“, sagt sie und erklärt, dass man bei der Katastrophenübung davon ausgeht, dass eine Autobombe detoniert sei. Sie deutet auf einen Zettel, den ein vermeintliches Opfer um den Hals trägt. Darauf vermerkt ist unter anderem sein Pulsschlag und sein Bewusstseinszustand. „Damit die Ersthelfer wissen, wie sie die Lage zu bewerten haben“, sagt Seher.

Freiwillige Jugendliche mimen die vermeintlichen Opfer

Drei drastisch geschminkte, amerikanische Jugendliche schlendern zu ihrem Einsatzort an der Explosionsstelle. Einer von ihnen wird gleich über einem Papiercontainer hängen und unaufhörlich nach Hilfe schreien, während seine beiden Freunde bewusstlos auf dem Boden liegen werden. Florian Gödde kommt den drei Jungen entgegen und wünscht: „Have fun!“. Er beobachtet das Gewusel aber ganz genau.

Gödde ist Stadtbrandoberrat von der Stuttgarter Feuerwehr und Teil des Leitungsteams, das diese Katastrophenübung seit einem halben Jahr vorbereitet hat. Es gebe einige Unterschiede zu anderen Übungen, sagt er: „Wir befinden uns hier im militärischen Sicherheitsbereich, da sind sind schon andere Dinge zu beachten als beispielsweise im Stuttgarter Stadtzentrum.“ Die Abstimmungen untereinander seien beispielsweise komplizierter – nicht nur auf Grund der Sprachbarriere, sondern auch, weil beim amerikanischen Militär die Führungsstruktur anders und für Deutsche nicht immer leicht zu verstehen sei. „Außerdem müssen unsere Einsatzkräfte damit rechnen, dass Verletzte noch Waffen tragen“, erklärt Gödde.

Koordination als größte Herausforderung

Um herauszufinden, wo die Probleme im Ablauf, in der Koordination und in der Absprache zwischen den amerikanischen und den deutschen Einsatzkräften liegen, beobachtet Gödde mit seinen Mitarbeitern aus beiden Ländern als sogenannter Observer die gesamte Übung. „Die größter Herausforderung ist die Koordination“, sagt Jeremiah Cowgill, der Leiter der amerikanischen Rettungsleitstelle.

Auf dem Übungsplatz wird deutlich, was er damit meint: Zur Unterstützung der amerikanischen Helfer sind von der deutschen Seite neben der Stuttgarter Feuerwehr das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die Malteser und Johanniter, das Technische Hilfswerk (THW) und die DLRG angerückt, insgesamt sind rund 250 Personen an der Katastrophenübung beteiligt. Die Nachbesprechung wird aber erst in ein paar Tagen stattfinden – wenn die Helfer vor Ort ihre Probleme an die Einsatzleiter weitergegeben haben. Denn, so erklärt Gödde: „Wir werden die Schwachstellen des Katastrophenplanes ausfindig machen und unsere Rettungspläne optimieren.“