Im Kunstgebäude am Schlossplatz werden die „Zentren der Macht“, Leben und Kultur der Kelten gezeigt. Die Schau wendet sich an Fachleute und Laien zugleich – das macht sie teilweise schwer verständlich.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Ihre Trinkgelage müssen turbulent gewesen sein. In riesigen Eimern wurden Wasser und Wein gemischt, in Krüge und zahllose andere Gefäße umgefüllt, bis der Wein schließlich in Trinkhörnern bei Tisch herumgereicht wurde, wobei der Hausherr, natürlich, das größte Horn besaß. Die Symposien waren so wichtig, dass einem keltischen Fürsten nach seinem Tod nicht nur Schmuck, Waffen und Kleidung ins Grab mitgegeben wurden, sondern auch prunkvoll verziertes Trink- und Essgeschirr.

 

Die Große Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ in Stuttgart zeichnet umfassend Leben und Kultur der Kelten nach. Insgesamt 1300 Objekte werden im Alten Schloss und im Kunstgebäude gezeigt, sie stammen aus dem Landesmuseum und von 136 Leihgebern aus vierzehn Ländern. Ein gigantisches Unterfangen also, das das Land mit 2,2 Millionen Euro unterstützt. Die Gesamtkosten: 3,7 Millionen Euro.

Die Ausstellung im Kunstgebäude ist aber auch inhaltlich ein extrem ambitioniertes Projekt. Hier widmet man sich den „Zentren der Macht“. Im Kuppelsaal, der durch die Einbauten kaum wiederzuerkennen ist, werden die wichtigen Fürstensitze mit entsprechenden Funden vorgestellt: Heuneburg, Ipf und Hohenasperg, Glauberg und Mont Lassois.

Der Anspruch ist allzu hoch

Es finden sich viele schöne Stücke in der Schau. Hier eine zarte Glasschale, die im Grab von Ihringen gefunden wurde, aber vermutlich aus dem vorderen Orient stammt, dort ein winziges Schiffchen aus Gold mit zwei Mini-Rudern aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Es gibt bekannte Funde, aber auch einiges, was noch nie ausgestellt wurde – besonders bemerkenswert sind die Stücke aus dem reich ausgestatteten Frauengrab, das 2010 an der Heuneburg entdeckt wurde.

Aber der Anspruch der Schau ist allzu hoch. So soll einerseits die Alltagskultur der Kelten verständlich werden, an Beispielen vom Zügelführungsring bis zum Hohlbuckelring. Die Eisentechnologie wird erläutert, die wirtschaftlichen Beziehungen werden thematisiert, die Kontakte zu und Einflüsse durch andere Kulturen, die Siedlungsformen von der einfachen Hütte bis zu den Oppida und den politischen Civitates, der Wechsel von Zentralisierung und Dezentralisierung. Jeder keltische Fürstensitz war anders, und viele von ihnen hatten eine hochkomplexe Struktur.

All das ist schwer zu fassen, wie es auch schwierig ist, zu überblicken, wann die Kelten überhaupt wo waren. Aber über die Historie legen sich als zweite Schichte die Grabungsgeschichte und die heutigen Fundorte. Auch wenn die Schau lebendig aufbereitet wurde und viele neue Vermittlungsformen nutzt, kommt das Format Ausstellung hier an seine Grenzen, weil es mit unterschiedlichsten Ansprüchen überfrachtet wird. Denn man hat versucht, sowohl die jüngsten Forschungsergebnisse für die Fachwelt aufzubereiten als auch ein breites Publikum anzusprechen.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die die Untersuchung der frühkeltischen Zentralorte mitfinanziert, hat auch die Ausstellung unterstützt mit der Maßgabe, die Forschung anschaulich zu präsentieren. Ein kaum zu leistendes Unterfangen, bei dem die Besucherführung auf der Strecke geblieben ist. Nicht-Experten, die in Scharen kommen sollen, um mit den Eintrittsgeldern den Fehlbetrag in der Finanzierung auszugleichen, sollten sich deshalb vorab gründlich mit der Materie befassen. Oder den mehr als 500 Seiten starken Katalog studieren – falls sie es schaffen, das schwere Monstrum nach Hause zu tragen.