Axel Deutsch bereitet sich monatelang auf seine Rede als Büttel bei der Kemnater Kirbe vor. Der 48-jährige Stadtrat will die Tradition erhalten.
Als Stadtrat findet Axel Deutsch manchmal deutliche Worte. In den Sitzungen im Stadthaus geht der Scharnhausener keiner Diskussion aus dem Weg. Seit 2023 schlüpft er bei der Kemnater Kirbe in die Rolle des Büttels. Auch da nimmt der 48-Jährige kein Blatt vor den Mund – vor allem, wenn es um kommunalpolitische Spitzen geht. „Die Kirbe-Tradition zu erhalten, finde ich einfach schön“, sagt Deutsch. Deshalb eröffnet er den Kirbe-Sonntag am 19. Oktober um 11.15 Uhr mit seiner Rede.
Wie kam der Kommunalpolitiker, der im Hauptberuf als Holztechniker arbeitet, zu der besonderen Rolle? Als Wolfgang Strobel 2022 das Amt nach 24 Jahren altershalber niedergelegt hat, wollte Deutsch, dass das Herzstück der Kirbe erhalten bleibt. Da sagte er schnell Ja, als ihn die Kemnater fragten. „Auf der Bühne zu stehen, das hat mir schon immer Spaß gemacht“, sagt der wortgewandte CDU-Stadtrat. So kam er vor vielen Jahren zu der Mundart-Theatergruppe „Die Körschtaler“, die im Lamm in Scharnhausen probten. Da habe er in seiner Freizeit an der Theke gestanden und Bier gezapft, erinnert er sich. Da ihm gefallen hat, was die schwäbischen Laiendarsteller auf die Bühne zauberten, ließ er sich gerne zum Mitmachen bewegen.
„Die Erfahrung mit dem Mundart-Theater kommt mir heute zu Gute“, findet Axel Deutsch. Wenn sich nach dem ökumenischen Kirbe-Gottesdienst die Massen vor dem Alten Rathaus versammeln, merkt man dem Schwaben die Aufregung nicht an. Da bleibt der erfahrene Redner gelassen, „denn schließlich habe ich den Text gründlich vorbereitet.“ In seinem Aktenkoffer hat er einen Stapel mit Mails, die ihm Gruppen und Vereine geschickt haben. Ihm ist es wichtig, auf die Wünsche der Leute einzugehen. Und natürlich wolle jeder in der Rede vorkommen. „Der Büttel schaut den Leuten aufs Maul, ist immer auf dem neuesten Stand“, sagt der Stadtrat lachend. Deshalb sucht der kommunikative Ostfilderner den Kontakt zu den Menschen, die in der Stadt und im Stadtteil Kemnat das Gemeindeleben prägen.
Durch die Arbeit im Gemeinderat sei er immer auf dem neuesten Stand, was die Stadtentwicklung angeht. Wichtig ist Deutsch aber, die Leute und ihre Geschichten mit einem Augenzwinkern aufs Korn zu nehmen. Bei Themen wie der Sportplatz-Debatte des TSV Scharnhausen und des TV Kemnat tut der Büttel zwar seine Meinung kund. Aber ihm ist es wichtig, niemand anzugreifen. Die satirischen „Bekanntmachungen“, die der Amtsbote verkündet, haben stets einen liebevollen, vergnüglichen Unterton.
Mit den Menschen in Kemnat ins Gespräch kommen
Manche Begebenheiten schnappt Deutsch auch auf, wenn er in Ostfildern unterwegs ist und mit den Menschen ins Gespräch kommt. Im Gasthaus „Brücke“ in Scharnhausen zählt er zu den Stammgästen. Nah an den Menschen dran zu sein, das gefällt dem Kommunalpolitiker. Obwohl der Terminkalender des stellvertretenden CDU-Fraktionschefs immer gut gefüllt ist, nimmt er sich vor der Kirbe Zeit, seine Rede in aller Ruhe vorzubereiten. Reimen braucht Zeit und Muße, das hat er von seinem Vorgänger Wolfgang Strobel gelernt.
Dass der Büttel stilecht gekleidet sein muss, steht für Deutsch außer Frage. Die Uniform mit der schwarzen Mütze leiht er vor der Kirbe von einem Kostümverleih in Untertürkheim aus. „Die muss sitzen.“ Die Profis sorgen dafür, dass jeder Knopf am rechten Fleck sitzt.
Der Kemnater Büttel kommt aus Scharnhausen
Wenn der Büttel die Schelle schwingt und in die Menge ruft „Ihr liabe Leut, es isch soweit, s’ isch Kirbezeit, s’isch Kirbezeit“, strahlen Jung und Alt. Viele Ostfilderner fiebern dem Auftritt der Traditionsfigur entgegen. Die gereimte Rede macht das Kirbe- oder Kirchweihfest so besonders. Dass der Büttel nicht aus Kemnat, sondern aus dem benachbarten Scharnhausen kommt, ist kein Problem. „Wir fühlen uns ja schon lange als Ostfilderner“, sagt Axel Deutsch. Da denke man über Stadtteilgrenzen weg.
Für die Menschen in Kemnat gehört der Büttel zur Kirbe dazu. Von Samstag bis Montag ist der ganze Stadtteil auf den Beinen. Die Arbeitsgemeinschaft der Kemnater Vereine, der Bund der Selbstständigen und die Kirchen stricken an dem vielseitigen Programm mit. Ehrenamtliche stemmen die Bewirtung, das Kinderspielprogramm in den Kirchen und viele andere Aktivitäten. „Dieses große Engagement ist einfach schön“, schwärmt Axel Deutsch vom Traditionsfest. Nach seiner Rede geht der Büttel mit seinen Ehrengästen über die Kirbe. Das ist für Axel Deutsch ein Part, der zwar Spaß macht – ader aber dennoch fordert. „Die Leute freuen sich, und man wird natürlich überall bewirtet.“ Trinkfest müsse der Büttel sein.
Der Büttel als Traditionsfigur
Traditionsfigur
Der Begriff Büttel steht für Gerichtsdiener, Gerichts- oder Amtsbote. Bei regionalen Festen wie Kirbe oder Kirchweih hält ein Büttel oft eine Rede, die mit satirischen Spitzen gespickt ist. Beim Esslinger Zwiebelfest gab auch einen Büttel, der mit der Schelle die Sperrstunde einläutete. In manchen Orten ruft der Büttel auch die Fasnet aus. Es ist eine Narrengestalt der schwäbisch-alemannischen Fasnet.
Die Kemnater Kirbe
Die Kemnater Kirbe ist mit weit über 750 Jahren die wohl älteste Kirbe im Land. Sie ging aus einem Schweine- und Rindermarkt hervor. Mit Unterbrechungen wird traditionell im Oktober drei Tage lang gefeiert. Es werden mehr als 30 000 Besucher erwartet. Los geht es am Samstag, 18. Oktober, um 14 Uhr – abends wird in den Partzelten der Vereine gefeiert. Der ökumenische Gottesdienst ist am Sonntag um 10 Uhr in der evangelischen Kirche. Um 17.30 Uhr findet auf der Kirbe ein Jugend-Gottesdienst statt. Am Montag hat die Kirbe bis 18 Uhr offen.