Auf der Suche nach Baugrund, um neue Wohnheime für Flüchtlinge zu erstellen, ist die Gemeinde Kernen fündig geworden. Ein zentrumsnahes Gelände ist für die Friedhofserweiterung entbehrlich geworden. Doch manche Nachbarn reden wütend dagegen an.

Kernen-Rommelshausen - Noch immer fehlen in der Gemeinde Kernen (Rems-Murr-Kreis) Wohnungen mit 260 Plätzen für Flüchtlinge, welche die Landkreisverwaltung gemäß dem Kernener Bevölkerungsanteil unterbringen will. In der Anschlussunterbringung der Flüchtlinge, die bereits einen Aufenthaltstitel haben, rechnet der Schultes mit 65 Menschen, für die er noch in diesem Jahr eine Wohnung braucht. Die Zeit drängt also.

 

Vor diesem Hintergrund haben die Rathausbeamten neben drei geplanten Neubauten und dem immer noch von einem Gutachter untersuchten Zelt auf der Kläranlage Krättenbach in Rommelshausen ein weiteres Grundstück ausgesucht, wo schnell zu errichtende, aber ansprechend aussehende Wohnungen entstehen können: Es ist die Fläche der Friedhofserweiterung in Rommelshausen, westlich der Gräberfelder, zwischen der Straße Am Weihergraben und der Friedhofstraße. Diese Grundstücke im Besitz der Gemeinde Kernen werden wegen veränderter Bestattungswünsche nicht mehr benötigt. Etwa 100 Menschen sollen dort im ersten Bauabschnitt in 30 bis 40 Jahre lang haltbaren Modul-Bauten in Holzständerbauweise unterkommen.

Ein zentrumsnaher Standort für Flüchtlingsunterkünfte

Leitungen und Kanäle liegen bereits im Boden im Weihergraben, 5,50 Meter breite Erschließungsstraßen sind vorhanden. Angrenzend an den etwa 1800 bis 1900 Quadratmeter großen Acker nördlich der Gewächshäuser, vorgesehen für den ersten Bauabschnitt, und auch neben den Gewächshäusern als eventuellen zweiten Bauabschnitt gibt es keine Wohnhäuser. Die insgesamt rund 50 Ar großen beiden Flächen bilden einen fast idealen zentrumsnahen Standort, aber Bürger aus den einige zig Meter entfernten Häusern machen dennoch mobil gegen die Ansiedlung neuer Nachbarn, wie sich in einer Informationsveranstaltung mit Bürgermeister Stefan Altenberger am Dienstag in der Alten Kelter in Rommelshausen zeigte. Argumente nennen die Bürger viele, manche widersprechen sich auch. Die Wortführer ziehen alle erdenklichen Einwände heran mit dem Ziel, die Neubürger möglichst weiter weg von ihren Wohnungen mit bisher unverbauter Aussicht zu verweisen, mindestens aber ihre Zahl zu verringern: „Wir werden dafür sorgen, dass sie keine 100 durchkriegen“, gibt ein Redner dem Bürgermeister auf den Weg. Der ist enttäuscht von der Reaktion: „Alle Kriterien, die uns an anderer Stelle für Flüchtlingsunterkünfte angetragen wurden, sind erfüllt, und jetzt ist es trotzdem nicht gut“, sagt der Schultes. Der Bauamtsleiter und Beigeordnete Horst Schaal ergänzt: „Da verzweifelt man schon.“

Preiswerter gebaut durch industriell gefertigte Module

Die von dem bekannten Architekten Werner Sobek entwickelten zweistöckigen Fertigbauten, die durch wenige Veränderungen später als Wohnraum für Familien genutzt werden sollen, erscheinen den nächsten Nachbarn wie „Baracken“. Der Hang erhält trotz der vielen Gewächshäuser entlang des Grabens das Prädikat der „letzten Frischluftschneise Rommelshausens“. Die Redner fordern ungeachtet dessen an diesem Abend, die mit Bauverbot belegten Wiesen im eigenen Besitz – in der gleichen angeblichen Frischluftschneise – ebenfalls bebauen zu dürfen. Die gewollt kompakte Bebauung mit Wohnungen für jeweils drei bis vier Asylbewerber ähnlich den bereits geplanten Häusern in der Robert-Bosch- und Dinkelstraße bezeichnet ein Redner als „Käfighaltung“. Demgegenüber betont Horst Schaal, selbst ein Architekt, dass die Gemeinde keine Container, sondern anständigen hochwertigen Wohnraum errichten wird – allerdings durch industrielle Fertigung zu einem günstigen Preis. Der Prokurist der Kreisbaugesellschaft Waiblingen Steffen Krahn rechnet mit 1650 Euro pro Quadratmeter gegenüber 2500 bis 2600 Euro pro Quadratmeter bei herkömmlicher Bauweise. Er sagt: „Das ist kein Schrott, das sind ein paar Hundert Euro weniger aufgrund der Industriebauweise.“

Mehr Lärm abseits des Friedhofs wird in Kauf genommen

Ein Redner am Informationsabend stört sich auch an der unmittelbaren Nähe zum Friedhof: „Wenn da 100 Leute drin wohnen, wird es bestimmt etwas lauter. Ich bin mir sicher, dass sie irgendwann Probleme mit den Friedhofsbesuchern bekommen.“ Dies sei „pietätlos“, ergänzt ein anderer. In der Abwägung hat dies, so sagt Horst Schaal, allerdings keinen Ausschlag gegeben: „Das nehmen wir in Kauf. Denn wir müssen Grundstücke nehmen, die frei sind.“

Der zweite Bauabschnitt werde, so lautet der Vorschlag des Bürgermeisters an den Gemeinderat, in gleicher Bauweise schon mitgeplant, obwohl die Gewächshäuser derzeit noch nicht zur Verfügung stehen. Im Unterschied zum ersten Bauabschnitt sollen die Häuser dort aber nicht als reine Asyl-Unterkunft dienen, sondern auch anderen Wohnungssuchenden in Not: „Wir haben eine Verpflichtung, für alle Menschen Wohnraum zu schaffen, die sich etwas anderes nicht leisten können“, sagt Altenberger.

Ein kleines Wohngebiet wird geplant: Erster Entwurf soll im Juni vorliegen

Häuser und Erschließung verspricht Schaal genauso zu planen, wie es für ein Wohngebiet üblich ist. Ein erster Entwurf wird für Juni erwartet und voraussichtlich in diesem Monat dem Gemeinderat vorgestellt. So wird genau geprüft, wie das Regenwasser abgeleitet werden muss und ob der Kanalquerschnitt ausreicht. Dies könnte Einwender beruhigen, die von Überflutungen ihrer Grundstücke durch die Hänge hinablaufendes Wasser berichten. Auch werden neue Parkplätze zwar nicht befestigt, aber als Grünfläche vorgehalten für später im Gebiet wohnende Familien mit Autos. Auch die Stellplätze für den Friedhof sollen erhalten bleiben.