Diakonie Stetten erklärt Scheitern des Verkaufs ihres ehemaligen Behindertendorfs für Wohnungsbau an die Gemeinde Kernen. Den Abschlag im Preis, damit die Gemeinde sozialen Wohnungsbau fördern kann, akzeptiert das Sozialunternehmen nicht.

Kernen - Die Absage der finalen Verhandlungen, die auf diesen Donnerstag angesetzt waren, ist eine faustdicke Überraschung: Drei Jahre lang haben die Gemeindeverwaltung und ihre zwei Partner, die Kreisbaugesellschaft Waiblingen und die LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH, mit der Diakonie Stetten schon um die 85 000 Quadratmeter große Hangweide gerungen. In einer Bürgerbeteiligung ist schon ein sozial durchmischtes nachhaltiges Wohnquartier mit grünem Charakter erträumt worden.

 

Zwei weitere Abschläge, die den Erlös für die Verkäuferseite zusätzlich mindern, sind es, die die Behindertenbetreuer nicht akzeptieren wollen

Umso härter ist jetzt das Erwachen. Letztlich werden sich die Verhandlungspartner um den Preis des Geländes nicht einig. „Dabei reden wir nicht um Quadratmeterpreise von 900 Euro pro Quadratmeter, sondern viel, viel weniger“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Stetten, Pfarrer Rainer Hinzen. Die üblichen Abschöpfungen wie die Kosten der Infrastruktur, bekannte Nachteile wie die nötigen Abrisskosten und so weiter seien schon eingerechnet. Zwei weitere Abschläge, die den Erlös für die Verkäuferseite zusätzlich mindern, sind es, die die Behindertenbetreuer nicht akzeptieren wollen.

Weil die Gemeinde Kernen auf dem Gelände sozialen Wohnungsbau ermöglichen und dazu Grundstücke zu günstigeren Konditionen abgeben will, will sie auch weniger an den Verkäufer zahlen. Rainer Hinzen und Dietmar Prexl, die den Diakonie-Vorstand bilden, fassen dies so auf, dass die lokale Politik die Kosten der vom Gemeinderat beschlossenen Sozialbauquote von bis zu 20 Prozent jetzt auf die Diakonie Stetten abwälzen will. „Das ist nicht hinnehmbar“, sagt Rainer Hinzen, „und es ist unüblich, dass der Verkäufer die Pläne des Käufers mitfinanziert.“ Dabei ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Hangweide-Besitzerin der Gemeinde ausdrücklich angeboten hat, sich am sozialen Wohnungsbau zu beteiligen: „Aber wir können nicht die vollen Kosten übernehmen.“

Das Geld würde die Diakonie Stetten dringend benötigen, begründet der Vorstandsvorsitzende: „Wir setzen die UN-Behindertenkonvention um. Wir müssen die Erlöse dazu einsetzen, um neue Grundstücke für neue Wohnhäuser zu kaufen, und die sind in der Region sehr teuer.“

Dem Diakonie-Vorstand ist noch etwas zweites sehr wichtig: „Wir wollten mit Partnern sprechen, die Verständnis für unsere Werte haben.“ An dieser Stelle scheint für Hinzen und Prexl eine rote Linie in den Verhandlungen überschritten zu sein: „Es soll eine Abwertung im Preis dafür geben, dass Menschen mit Behinderungen in zwei Häusern weiter auf der Hangweide leben sollen.“

Wie das Tauziehen um Wohnungsbau auf der Hangweide jetzt weitergeht, ist völlig offen

Was für eine Zumutung die beiden unabhängigen Sachverständigen bei ihrem Wertgutachten der Diakonie Stetten damit bereit haben, haben deren Verhandlungspartner offenbar völlig unterschätzt. Dietmar Prexl wirft ihnen vor, dass sie auf entsprechende Hinweise überhaupt nicht reagiert haben. „Wir stehen dafür, dass die Behinderten in die Nachbarschaft der Menschen ziehen. Der Gesetzgeber hat spätestens mit Einführung des Bundesteilhabegesetzes, in dem die Inklusion verankert wird, jede Diskriminierung von Menschen mit Behinderung unterbunden. Dieses Anliegen ist auch das Anliegen der Diakonie Stetten“, sagt Rainer Hinzen. Deswegen sei es für sie unmöglich, die gewünschte Abwertung mitzutragen.

„Uns ist bewusst, dass dieser gesellschaftspolitische Wandel noch nicht in allen Teilen der Gesellschaft angekommen ist. Umso wichtiger ist es für uns, uns für das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung konsequent einzusetzen. Daher ist es für uns unmöglich, einen gesellschaftlichen Rückschritt an dieser Stelle hinzunehmen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Zwar ist die Abwertung nach Angeboten von Rainer Hinzen „erheblich“, aber es geht nicht allein ums Geld. Er sagt: „Es geht uns hier ums Prinzip.“

Wie das Tauziehen um Wohnungsbau auf der Hangweide jetzt weitergeht, ist völlig offen. Weitere Verhandlungstermine gibt es nicht. Zugeschlagen ist die Tür aber auch nicht. „Der Ball liegt jetzt im Feld der anderen Seite“, sagen Hinzen und Prexl.